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Patientenvertreter: „Tiroler sind sehr leidensfähig“

Viele Menschen wehren sich erst, wenn der Leidensdruck sehr hoch ist, doch das muss nicht so sein ...
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„Es sind bestimmt keine Lappalien“: Patientenvertreter Birger Rudisch fordert von den Gesundheitseinrichtungen im Land einen offeneren Umgang mit Beschwerden.

Von Michaela S. Paulmichl

Innsbruck –Bereits über 200.000 Euro Entschädigungsleistungen wurden im zu Ende gehenden Jahr in Tirol an Menschen ausbezahlt, die sich mit ihren Beschwerden an die Patientenvertretung gewandt hatten. Doch von Erfolgen will Birger Rudisch, Leiter der Ombudsstelle, in diesem Zusammenhang nicht sprechen. Denn Schmerzensgeld zu bekommen, bedeutet immer, dass eine medizinische Behandlung gescheitert ist: „Es ist nicht das, was die Betroffenen wollen und brauchen – nämlich gesund zu werden.“ Ein Erfolg kann in diesem Zusammenhang nur ein wiederhergestelltes Vertrauensverhältnis zu den behandelnden Ärzten sein, eine Fortführung der Versorgung und letztlich eine Heilung.

„Patienten, die zu uns kommen, sind Menschen in einer vertieften Krise“, sagt Rudisch. Sie leiden unter einer schweren Erkrankung oder haben gravierende Verletzungen erlitten, die meisten sind oder waren in stationärer Behandlung oder auf Pflege angewiesen. Probleme wegen einer womöglich falschen Diagnose, nach einer Impfung, bei der Versorgung oder nach einer nicht geglückten Operation – oft verbunden mit starken Schmerzen und Beeinträchtigungen bis zur Invalidität – erschweren ihre Situation. Immer wieder gibt es auch Probleme bei der Verrechnung.

Birger Rudisch, Leiter der Tiroler Patientenvertretung: „Das beste Recht ist nichts wert, wenn ich nicht selbst dafür einstehe.“
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Dabei ist sich der Leiter der unabhängigen, weisungsfreien Patientenvertretung des Landes Tirol sicher: „Es sind bestimmt keine Lappalien, wegen der die Menschen zu uns kommen. Die Tiroler sind sehr leidensfähig.“ So wie es bei einem Luftballon eine Nadel brauche, um ihn zum Platzen zu bringen, seien es in diesen Fällen Eltern, Freunde, Kollegen oder nachbehandelnde Ärzte, die betroffene Patienten zum Nachdenken und Handeln bewegen würden. Viele wehren sich erst, wenn der Leidensdruck sehr hoch ist – und auch dann meistens durch einen Anstoß von außen. Hintergrund dafür sind laut Rudisch Ängste: „Manche fragen sich: ,Was passiert, wenn ich mich beschwere?‘“ Gleichzeitig fordere unser Rechtssystem mündige Patienten. „Das beste Recht ist nichts wert, wenn ich nicht selbst dafür einstehe!“, sagt der Jurist.

Die Patientenvertretung in Tirol wurde erst 2005 auf Grundlage der österreichischen Patientencharta ins Leben gerufen, in anderen Bundesländern wie Salzburg, Wien oder Niederösterreich wurden teils schon Anfang der 1990er-Jahre entsprechende Ombudsstellen eingerichtet.

Von den heimischen Gesundheitseinrichtungen erwartet er sich einen offenen Umgang mit Beschwerden, die Patienten sollten das Gefühl haben, ernst genommen zu werden. Nur so könnten Ängste abgebaut werden. „Wenn die Betroffenen ihre Probleme im jeweils zuständigen Krankenhaus lösen können, hätten wir hier weniger Fälle zu behandeln“, ist er überzeugt. Dazu gehört es auch, sich nicht als anonyme Anlaufstelle zu präsentieren, sondern einen sachkundigen persönlichen Ansprechpartner – am besten mit Foto auf der jeweiligen Homepage – zu benennen.

Für niedergelassene Ärzte ist die Patientenvertretung zum Leidwesen von Rudisch nicht zuständig, er fordert seit Jahren eine Änderung. „Derzeit können wir deren Patienten nur an die für sie zuständigen Stellen wie die Ärztekammer verweisen.“ Doch viele Betroffene wollen sich nicht an die Standesvertretung jener wenden, die sie für ihre Probleme verantwortlich machen.

Auch der Rechnungshof hat die Situation in seinem jüngsten Bericht kritisiert. Mit Ausnahme von Tirol und Oberösterreich sind alle österreichischen Patientenanwaltschaften und Patientenvertretungen zur Wahrung von Patientenrechten auch für den niedergelassenen Ärztebereich zuständig. Der Jurist hofft nun auf eine rasche Anpassung. Hintergrund ist, dass das Land den Aufwand für diesen Bereich nicht vom Bund refundiert bekommt – Leidtragende der ungeklärten Situation sind die Patienten. „Wir haben das nötige Know-how, dürfen es für sie aber nicht anwenden“, bedauert Rudisch.

Patientenvertretung in Tirol

1527 Menschen haben sich 2017 an die Patientenvertretung gewandt, 517 hatten Probleme mit der Versorgung in einer Krankenanstalt, 152 bei freiberuflich arbeitenden Ärzten.

Besonders viele Beschwerden gibt es verhältnismäßig im operativen Bereich, bei der Unfallchirurgie, Orthopädie und Traumatologie.

Die Sprechstunden in der Patientenvertretung, Meraner Straße 5, in Innsbruck: Montag bis Donnerstag von 8 bis 12 und 14 bis 17 Uhr und Freitag, 8 bis 12 Uhr, telefonische Terminvereinbarung unter 0512/508-7700 nötig. Viermal im Jahr finden in den Bezirken „Sprechwochen“ statt. Näheres unter www.tirol.gv.at. E-Mail: patientenvertretung@tirol.gv.at.

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