In Österreich ist jedes fünfte Kind armutsgefährdet
Armut ist auch hierzulande gegenwärtig. Hunderttausende Familien und Kinder sind davon betroffen. Doch man kann helfen.
Von Serdar Sahin
Wien –Österreich ist eines der reichsten Länder der Welt. Trotzdem sind viele Menschen hierzulande arm. Wer laut einer einheitlichen EU-Berechnung weniger als 1238 Euro monatlich zur Verfügung hat, gilt in Österreich als armutsgefährdet. Pro Kind werden 371 Euro, pro weiterem Erwachsenen 618 Euro dazugezählt.
Als armutsgefährdet gelten derzeit 14,4 Prozent der Bevölkerung in Österreich oder umgerechnet rund 1,25 Millionen Menschen. Besonders von Armut sind Kinder betroffen: 324.000 Kinder und Jugendliche bis 19 Jahre leben in Armut – das sind 18 Prozent. Auffällig an der Altersstruktur ist, dass 20 Prozent der Buben und Mädchen bis zum Alter von 15 Jahren in einem armutsgefährdeten Haushalt leben. Betroffen sind 38 Prozent der Kinder in einem Ein-Eltern-Haushalt und 26 Prozent in einem Mehrpersonenhaushalt mit mindestens drei Kindern. 39 Prozent der Menschen mit Migrationshintergrund in Österreich sind armutsgefährdet, wobei es je nach Staatsbürgerschaft signifikante Unterschiede gibt: Bei EU- oder EFTA-Bürgern liegt die Gefährdung bei 29 Prozent der Menschen vor, bei jenen aus anderen Herkunftsländern bei 50 Prozent.
Die Statistik zeigt, dass Armut und Bildungsniveau korrelieren: 33 Prozent der armutsgefährdeten Menschen weisen einen Pflichtschulabschluss als höchste Ausbildung vor. 39 Prozent können eine Lehre oder einen Abschluss einer mittleren Schule bieten. 16 Prozent der armutsgefährdeten Männer und Frauen in Österreich haben eine Matura. Personen, die trotz einer Arbeit kein ordentliches Einkommen haben, werden als „Working Poor“ bezeichnet – in Österreich sind es sieben Prozent der Erwerbstätigen bzw. rund 300.000 Menschen.
Im Alltag bedeuten diese Zahlen, dass 255.000 Kinder in überbelegten Wohnungen leben müssen. 226.000 Minderjährige wohnen in feuchten und schimmligen Zimmern. 45.000 Kinder leben in Haushalten, die die Wohnung nicht angemessen heizen können. 24.000 Kinder können sich einen notwendigen Arztbesuch nicht leisten. Und 164.000 Kinder können wegen der prekären Familiensituation nicht einmal im Monat Freunde zu sich nach Hause einladen.
Die Caritas versucht mit verschiedenen Projekten das Leiden der Kinder zu lindern. So betreibt die Organisation 12 Mutter-Kind-Häuser, die 252 Wohnplätze bieten. In etwa 340 Betreuungseinrichtungen werden österreichweit rund 24.000 Kinder betreut. Dort sind 1800 Pädagoginnen und 2100 Assistentinnen im Einsatz. Seit Beginn des Schuljahres werden in 54 Lerncafés über 1950 Kinder und Jugendliche unterstützt. 780 Freiwillige engagieren sich dafür. 800 Kinder und Jugendliche stehen noch auf der Warteliste. 3200 Familien werden in Krisen von der Familienhilfe unterstützt.
Informationen dazu, wie man am besten helfen kann, findet man unter www.caritas.at/inlandskampagne. So ist es möglich, mit 20 Euro ein Babypaket zu spenden, mit 30 Euro kann man einen Heizkostenzuschuss für eine Familie übernehmen oder mit 100 Euro eine Notschlafstelle für eine Woche finanzieren.
„Die Wirtschaft in Österreich boomt, die Arbeitslosenzahlen gehen zurück, und es geht uns gut. Das ist zuallererst erfreulich“, befindet Caritas-Präsident Michael Landau gegenüber der Tiroler Tageszeitung.
Aber: „Gleichzeitig gibt es auch bei uns armutsbetroffene Familien, die ihren Kindern eine Teilnahme an Schulaktivitäten und Schulfahrten nicht bezahlen können. Kinder, denen es aus finanziellen Gründen nicht möglich ist, ihre Freunde nach Hause einzuladen, oder wo die Wohnung eingeheizt einfach zu kalt ist, um gut zu lernen. Diese Kinder, die schon von Beginn ein Stück weit hinter den anderen ins Leben starten müssen, brauchen unsere Aufmerksamkeit und Unterstützung.“