Forschung daheim als große Chance für Osttiroler
Wolfgang Hörtnagel aus Assling ist 28 Jahre alt und hat in Graz sein Studium der Elektrotechnik absolviert. Zurück in Osttirol arbeitet er für drei Jahre am Campus in Lienz, um seinen Doktortitel zu erwerben.
Von Christoph Blassnig
Lienz –Es benötigt schon ein hohes Maß an Leistungsbereitschaft und Durchhaltevermögen, um mindestens drei Jahre lang eine Doktorandenlaufbahn zu absolvieren. Das stellt Fadi Dohnal, Wissenschaftlicher Leiter am Campus Technik Lienz, fest. „Man kann sich an hochinnovativen Themen beweisen und seinen wissenschaftlichen Fingerabdruck hinterlassen. Der finanzielle Anreiz ist dagegen gering.“
Für Wolfgang Hörtnagel aus Assling hätte es nicht besser kommen können, wie er sagt: „Ich brauche die Berge um mich herum. Sonst drohe ich wahnsinnig zu werden.“ Der Abschied aus Graz nach dem Abschluss seinen Studiums der Elektrotechnik sei ihm schon deshalb nicht schwergefallen. „Die Einrichtung des Campus in Lienz war für mich so etwas wie ein Glücksfall“, meint der junge Forscher. Denn es gebe grundsätzlich nur wenige Stellen in seinem Heimatbezirk, die sich überhaupt an Akademiker richten würden. Und Dissertanten-Plätze in seinem Interessenbereich seien gleich österreichweit spärlich gesät und auf Jahre hinaus belegt.
Er komme zwar aus dem Bereich der Regelungs- und Elektrotechnik mit dem Schwerpunkt Simulation und habe bisher weniger mit Mechatronik und Schwingungsverhalten zu tun gehabt, doch liege ihm seine Arbeit inzwischen sehr. „Der Mechatronik-Cluster in Osttirol ist überraschend groß und er läuft auch sehr gut, es gibt einen regen Markt für qualifizierte Absolventen. Es kommt garantiert etwas Gutes für Osttirol dabei heraus“, meint der Akademiker, als er im Labor den Computer mit angeschlossener Messeinrichtung hochfährt. Als Forschungsobjekt dient dem Wissenschafter ein professionelles Kühlgerät zur Weinlagerung, das die Firma Liebherr in ihrem Werk in Lienz baut. Sensoren registrieren feinste Schwingungen und ihre Ausbreitung, gemessen wird direkt an den im Weinschrank lagernden Flaschen, an den hölzernen Regaleinlagen, an der gläsernen Frontscheibe, am Gehäuse des Gerätes und in der Nähe des Kompressors. Am Computer können minimalste Schwingungen und ihre Ausbreitung festgestellt werden. „Gemeinsam mit meinem Auftraggeber Liebherr und dem Wissenschaftlichen Leiter Fadi Dohnal habe ich einen neuen Ansatz gefunden, wie speziell Weinkühler weiter optimiert werden können. Was genau mein Untersuchungsgegenstand ist, bleibt natürlich geheim“, schmunzelt Hörtnagel. Das hat einen ernsten Hintergrund, denn der Auftraggeber will seinen Wissensvorsprung für zukünftige Modelle vor Mitbewerbern schützen.
Holger König ist seit 2014 Kaufmännischer Geschäftsführer am Liebherr-Standort in Lienz. Kühlschränke, Geräte für den gewerblichen Gebrauch wie Supermarkttruhen und Weinschränke produziert der Hersteller hier. In seinem Büro hat König zu Demonstrationszwecken einen Weinkühlschrank in Betrieb. Mit Fadi Dohnal und Thomas Obererlacher, dem Geschäftsführer der Produktentwicklung in Lienz, stimmt König die Zusammenarbeit ab. „Wir sind ein Premium-Hersteller. Unsere Kunden wünschen die beste Lagerung für ihre Produkte. Im gemeinsamen Forschungsprojekt mit dem Campus in Lienz geht es für uns daher um Optimierungen, die auch die anspruchsvollsten Weingenießer von unserem Gerät überzeugen sollen“, erklärt König. Es sei nicht ganz einfach, bestens ausgebildete Fachleute für ein Leben in Osttirol zu gewinnen. „Wir schätzen die Mechatronik-HTL und den Campus als Partner für Projektaufgaben. Beide Seiten profitieren“, meint König. Als größter Arbeitgeber im Bezirk sei man sich einer gewissen Vorreiterrolle durchaus bewusst. „Trotzdem können wir nicht alle wirtschaftlichen Probleme der Region lösen.“ Entwicklungsleiter Obererlacher schätzt die enge Zusammenarbeit mit der Wissenschaft vor Ort: „Universitäre Grundlagenforschung ist das eine. Für uns zählt der praktische Nutzen, den wir für zukünftige Produkte aus der Forschung erzielen.“
Doktorand Wolfgang Hörtnagel bestätigt die Praxisnähe seiner Arbeit für Liebherr am Campus Technik in Lienz. „Meine Leidenschaft ist die Mathematik, die in Formeln die Vorgänge der Umwelt zu beschreiben und in Zahlen zu fassen sucht. Am konkreten Beispiel Weinkühlschrank sind, aufbauend auf allen Bestrebungen bisher, weitere Verbesserungen möglich. Das macht meine Arbeit spannend, und am Ende profitieren im besten Fall alle Kunden davon, die ein solches Kühlgerät ihr Eigen nennen. Und das weltweit.“ Ein mögliches Patent würde an Liebherr gehen, die Rechte für Veröffentlichungen bleiben bei der Uni. „Wenn es gut läuft, bekomme ich natürlich auch etwas: meinen Doktortitel“, freut sich Hörtnagel über die Uni daheim.