Kneissls Neujahrsvorsatz: Wider die „Erbsenzählerei“ in der EU
Wien (APA) - „Über den Tellerrand schauen, wieder stärker geopolitisch denken.“ Das ist der Neujahrsvorsatz von Außenministerin Karin Kneiss...
Wien (APA) - „Über den Tellerrand schauen, wieder stärker geopolitisch denken.“ Das ist der Neujahrsvorsatz von Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) - den sie allerdings der Europäischen Union verordnet, in der für ihren Geschmack politisch „zu viel Erbsenzählerei“ betrieben wird, wie Kneissl in einer Bilanz- und Ausblickspressekonferenz am Dienstag in Wien konstatierte.
Österreich hat diesen Anspruch für Kneissl im vergangenen Jahr durchaus erfüllt, wie die Ministerin unter Verweis auf mehrere Asien- und Afrika-Schwerpunkte der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft erklärte. Heuer soll ein Schwerpunkt in der Beteiligung an einem internationalen Entminungsprojekt im ländlichen Raum Nordostsyriens liegen, um rückkehrwilligen Flüchtlingen den Wiedereinstieg in die Landwirtschaft zu ermöglichen. Dafür sollen heuer 5,3 Millionen Euro und in den folgenden Jahren bis 2025 jährlich „zweistellige“ Millionenbeträge lockergemacht werden.
Im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit kündigte die Ministerin einen Schwerpunkt im Kampf gegen die weibliche Genitalverstümmelung an - und zwar durchaus auch im Inland: Kneissl sprach von einer „Dunkelziffer“ in Höhe von rund 8.000 betroffenen Frauen und Mädchen, wobei letztere in vielen Fällen in den Schulferien von ihren Familien in ihre Herkunftsländer geschickt würden, um dort der grausamen traditionellen Verstümmelung unterzogen zu werden. Neben der Finanzierung von Beratung, Betreuung und Rückoperationen durch ihr eigenes Ressort überlegt die ÖVP-Staatssekretärin im Innenministerium, Karoline Edtstadler laut Kneissl auch, die Genitalverstümmelung zu einem Straftatbestand zu machen.
Im Bereich der ebenfalls in ihr Portefeuille fallenden Integration bilanzierte Kneissl ein Jahr Integrationsgesetz durchaus positiv. So hätten etwa mehr als 19.000 Menschen an Werte- und Orientierungskursen teilgenommen. Die Kurse würden künftig sowohl inhaltlich differenziert, um den unterschiedlichen Ansprüchen und Voraussetzungen der Teilnehmer gerecht zu werden, als auch verstärkt „frauenspezifischer“ angelegt, um die Funktion von Frauen als „Multiplikatoren und Role-Models“ in ihren Familien zu nützen, erklärte die Ministerin. Bis Jahresende soll außerdem ein erster Bericht über sogenannte Parallelgesellschaften in Österreich vorliegen.
Stolz berichtete Kneissl von einem neuen Projekt, das ausländischen Journalisten bis zu dreimonatige Aufenthalte in Österreich ermöglicht, um hier als „Journalist in Residence“ zu recherchieren. Stolz auch deshalb, weil die Finanzierung des Projekts nicht durch neue Finanzmittel, sondern durch eine 80-prozentige Reduktion des Inseratenbudgets ihres Hauses ermöglicht werde.
Wie die von der FPÖ in die Regierung entsandte Chefin des „Ministeriums für Europa, Integration und Äußeres“ mit dem europapolitischen Kurs der Freiheitlichen und deren Zugehörigkeit zur EU-Parlamentsfraktion „Europa der Nationen und der Freiheit/ENF“ - gemeinsam mit rechtspopulistischen bis -extremen Parteien wie der französischen Rassemblement National (Nationale Sammlungsbewegung) und der italienischen Lega - zurecht kommt, verriet Kneissl auch diesmal nicht. Ihr „europapolitisches Herz“ schlage jedenfalls für die weitere europäische Integration Südosteuropas: „Wir können Südosteuropa nicht als Vakuum abgehängt lassen“, appellierte Kneissl an EU-Staaten der ersten Stunde wie Frankreich und die Niederlande, die immer jene gewesen seien, „die immer geopolitisch in größeren Kategorien gedacht haben“ und gegenwärtig jedoch Perspektiven für südosteuropäische Staaten wie Albanien oder Serbien nicht eben enthusiastisch gegenüberstünden. Womit die Ministerin den Kreis hin zu der von ihr zu Beginn beklagten „Erbsenzählerei“ schloss.