Mindestsicherung - Modell bringt Einschnitte und ermöglicht Boni

Wien (APA) - Die Regierung hat Ende November die neuen Regelungen zur Mindestsicherung fixiert und den Gesetzesentwurf in Begutachtung gesch...

Wien (APA) - Die Regierung hat Ende November die neuen Regelungen zur Mindestsicherung fixiert und den Gesetzesentwurf in Begutachtung geschickt. Am Donnerstag endet die Frist zur Abgabe von Stellungnahmen zum Entwurf. Bringen wird das Paket Einschnitte bei Familien mit mehreren Kindern sowie Zuwanderern mit schlechten Deutschkenntnissen. Ermöglicht werden Zuschläge für Alleinerziehende und Behinderte.

Grundsätzlich soll die Novelle eine Vereinheitlichung bei der Mindestsicherung bringen. Das neue „Rahmengesetz“ wird die 2016 ausgelaufene Bund-Länder-Vereinbarung (15a-Vereinbarung) über Mindeststandards bei dieser Sozialleistung ersetzen. Im Gesetzesentwurf wird die Sozialleistung konsequent als „Sozialhilfe“ und nicht wie bisher als „Mindestsicherung“ bezeichnet, worauf in den Erläuterungen auch explizit hingewiesen wird: „Das Regierungsprogramm sieht - in begrifflicher Abkehr vom zuletzt verwendeten Begriff der Mindestsicherung - die Schaffung eines Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes (...) vor.“

Bei der Höhe der monatlichen Sozialhilfe orientiert sich das ÖVP-FPÖ-Modell am Netto-Ausgleichszulagenrichtsatz von derzeit 863 Euro, was den Höchstbetrag für Einzelpersonen darstellt. Für ein Paar gibt es maximal zwei Mal 70 Prozent des Richtsatzes bzw. 1.208 Euro.

Für Familien mit Kindern bringt die Novelle Einschnitte. Zwar gibt es (aus verfassungsrechtlichen Gründen) keine völlige Deckelung pro Familie, dafür aber eine Staffelung pro Kind: Für das erste Kind ist eine Sozialhilfe-Satz von 25 Prozent des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes vorgesehen (216 Euro), für das zweite Kind 15 Prozent (130 Euro) und ab dem dritten Kind gibt es 5 Prozent des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes (43 Euro).

Eines der Hauptziele von Türkis-Blau ist der „Stopp der Zuwanderung ins Sozialsystem“. Zuwanderer mit nicht ausreichenden Deutschkenntnissen sollen deshalb eine gekürzte Sozialhilfe von 563 Euro erhalten. Die 300 Euro Differenz auf die volle Geldleistung erklärt die Regierung als Sachleistung zum „Arbeitsqualifizierungsbonus für Vermittelbarkeit“. Damit sollen Sprachkurse finanziert werden. Den vollen Betrag gibt es erst ab Deutsch-Niveau B1 oder Englisch-Niveau C1. Für den Nachweis beim Sozialamt braucht es ein Sprachzertifikat, einen Pflichtschulabschluss mit Deutsch als primärer Unterrichtssprache oder die Vorsprache bei der Behörde, was etwa für der deutschen Sprache mächtige Österreicher ohne Pflichtschulabschluss ausreichen würde.

Für Drittstaatsangehörige sowie EU- und EWR-Bürger ist eine fünfjährige Wartefrist vorgesehen, bevor sie die Sozialhilfe beziehen können. Unionsbürger mit einem kürzeren rechtmäßigen Aufenthalt haben nur dann uneingeschränkten Zugang, wenn sie sich etwa als Arbeitnehmer in Österreich befinden. Im Gesetz ist dazu eine Einzelfallprüfung vorgesehen. Asylberechtigte haben erst ab dem Zeitpunkt Anspruch auf Sozialhilfe, ab dem ihnen der Schutzstatus als Flüchtling zuerkannt wird. Asylwerber bekommen wie schon bisher keine Mindestsicherung bzw. Sozialhilfe, sondern Grundversorgung.

Alleinerzieherinnen und Behinderten können die Länder künftig nach eigenem Ermessen Zuschläge in einem gewissen Rahmen gewähren. Für Alleinerzieherinnen wird es den Ländern künftig gestattet, zusätzlich zur Sozialhilfe bei einem Kind 12 Prozent vom Ausgleichszulagenrichtsatz (derzeit 103,5 Euro) auszuschütten, bei zwei Kindern 21 Prozent (181 Euro), bei drei Kindern 27 Euro (233 Euro) und für jedes weitere Kind plus drei Prozent.

Auch für Behinderte können die Länder Boni gewähren, und zwar in Höhe von 18 Prozent (155 Euro). Dabei handelt es sich jeweils um eine nicht verbindliche Kann-Bestimmung. Gleiches gilt für die Regelung beim Wohnzuschuss von bis zu 30 Prozent. Damit soll es möglich werden, die unterschiedlich hohen Mietkosten in den Bundesländern zu berücksichtigen.

Bestehen bleibt die Möglichkeit der Länder, auf das Vermögen der Betroffenen zuzugreifen. Es gibt aber Ausnahmen, so soll etwa ein Auto, das zur Fahrt in die Arbeit benötigt wird, vom Zugriff ausgenommen sein. Zudem definiert die Regierung in ihrem Paket ein „Schonvermögen“ von 600 Prozent des Ausgleichszulagenrichtsatzes (knapp 5.200 Euro), auf das kein Zugriff möglich sein soll. Zugleich wird die „Schonfrist“ für den Zugriff auf das Eigenheim bzw. die pfandrechtliche Eintragung im Grundbuch von sechs Monaten auf drei Jahre erhöht. Auch auf das Einkommen von im gleichen Haushalt lebenden Angehörigen kann in gewissem Maße zugegriffen werden.

Einen „Arbeitsanreiz“ erhofft sich die Regierung von der Regelung, dass Sozialhilfe-Empfänger künftig für einen befristeten Zeitraum auch zusätzliche Einkünfte lukrieren können. Für jene, denen es gelingt, aus der Sozialhilfe heraus eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, ist laut Regierung ein Freibetrag von bis zu 35 Prozent des Nettoeinkommens vorgesehen. Dieser Gehaltsteil soll für bis zu 12 Monate von einer Anrechnung ausgenommen werden.

In Kraft treten soll das Grundsatzgesetz nach dem für Februar oder März geplanten Nationalrats-Beschluss mit 1. April 2019. Danach haben die Bundesländer in einer mehrmonatigen Übergangsfrist Zeit, um die entsprechenden Landesgesetze zu erlassen. Die genauen Ausführungsbestimmungen sowie konkreten Sanktionen bei Missbrauch oder Arbeitsunwilligkeit müssen die Länder nämlich selbst festlegen. Schlagend werden die Neuerungen daher frühestens im Herbst.

Für die Länder jedenfalls bedeuten die Änderungen Mehrkosten. Laut der im Entwurf enthaltenen „Folgenabschätzung“ wird die Reform im Jahr 2019 den Ländern in etwa 242.000 Euro an Kosten bescheren, im Jahr darauf bereits 6,7 Mio. Euro. 2021 rechnet die Regierung mit 11,8 Mio Euro an Mehrkosten, 2022 mit rund 14,6 Mio. Euro. Freilich sind dies eher grobe Schätzungen, wie in dem Entwurf selbst betont wird. Um die finanziellen Auswirkungen abschließend beurteilen zu können, „müssen erst die Ausführungsgesetze der Länder abgewartet werden, die allerdings erst bis zum Herbst 2019 vorliegen werden“, heißt es darin.