Ahoj, Hoi und Heil: Ungewöhnlicher „König Ottokar“ am Volkstheater
Wien (APA) - Ein radikal gegen die Rezeptionsgeschichte gebürsteter „König Ottokar“ sollte Dusan David Parizeks Grillparzer-Inszenierung am ...
Wien (APA) - Ein radikal gegen die Rezeptionsgeschichte gebürsteter „König Ottokar“ sollte Dusan David Parizeks Grillparzer-Inszenierung am Wiener Volkstheater werden. Gehalten und versprochen, lässt sich nach der gestrigen Premiere sagen. Auch wenn Fantastico vor allem der gleichnamige Schimmel-Wallach war, auf dem der Böhmenkönig in sein „Glück und Ende“ ritt.
Ein Auftritt als Ausritt: Der tschechische Theater- und Filmstar Karel Dobry zeigt als Ottokar bei seinem Erstantreten auf einer deutschsprachigen Bühne zunächst vor allem seine Reitkünste und seine Kundigkeit bei der Pferdepflege. Überhaupt scheint dieser herrische Herrscher sich lieber mit seinem Hengst als mit Menschen zu beschäftigen. Seine Gemahlin Margarethe von Österreich, ungewöhnlich besetzt mit Rainer Galke in Hermelinumhang und Papierkrönchen, vernachlässigt er sträflich. Ihre Demütigung sowie sein selbstherrlicher Umgang mit den Adeligen sind der Anfang vom Ende von Ottokars Weltreich-Fantasien.
Dobry, der ansonsten zwar viel Bühnenpräsenz, aber auch einiges an antiquiert wirkendem Rampenspiel zeigt, beginnt seine Rolle auf Tschechisch, ehe er auf Deutsch wechselt. Seine erste Begegnung mit seinem Rivalen, dem Schweizer Rudolf von Habsburg, bringt den Ansatz der Inszenierung auf den Punkt: „Ahoj“ grüßt der Böhmenkönig jovial herablassend, „Hoi“ gibt der Schweizer Lukas Holzhausen als „Ruedi“ auf Schwyzerdütsch zurück, und gleich streiten sie ein bisschen, halb im Spaß, halb im Ernst, über den richtigen Gruß. Am Ende des auf sieben Personen und zweieinviertel Stunden pausenloser Spieldauer radikal gekürzten Machtkampfs ist ein deutsches „Heil“ daraus geworden. Denn nur wer die deutsche Kaiserwürde besitzt, hat auch die Macht. Der Unterlegene muss sich von einem breit schwäbelnden Nürnberger Burggrafen anpflaumen lassen, der Überlegene darf sich vom devoten Wiener Bürgermeister, der „Wiener Blut“ ebenso wie Falco-Rhythmen in seine Schleimspur integriert, huldigen lassen. Rainer Galke spielt beide mit größter Hingabe.
Zu den Höhepunkten des Abends zählt nicht nur das Zusammenspiel Holzhausens mit Galke, sondern auch der Schwyzerdütsch-Nachhilfeunterricht, den der sich kumpelhaft gebende neue Kaiser allen Menschen seiner Umgebung angedeihen lässt. Das breite Ausspielen des provinziellen Sprach-Wirrwarrs ist eine von Parizeks Strategien, das nationale Pathos des Stücks zu unterlaufen. Die Kostüme von Kamila Polivkova, die den Abend deutlich stärker prägen als die mehr als Eigenzitat denn als wirkliche Setzung wirkende (und natürlich mit Getöse umfallende) Holzlatten-Wand der neuerlich vom Regisseur selbst gestalteten Bühne, sind ein anderer gelungener Streich der Subversion: Jede Menge Wappenlöwen und Bundesadler prägen das Bild - sie finden sich jedoch als Muster und Logos auf zwischen hip und lächerlich changierenden Strickpullovern, Sweatern oder T-Shirts.
Thomas Frank gefällt nicht nur als betont naiver steirischer Recke Merenberg, sondern auch als Springbrunnen, Peter Fasching versucht sich als Zawisch mit wechselndem Erfolg als Intrigant und E-Zitherspieler, Gabor Biedermann bleibt als Ottos Kanzler farblos, während Anja Herden als Kunigunde von Massovien davon deutlich zu viel aufträgt. Der steirische Edelmann Ottokar von Horneck ist - wie vieles andere - gestrichen. Seine berühmte Rede („Es ist ein gutes Land! Wohl wert, daß sich ein Fürst sein unterwinde! ...“) kommt dennoch vor: Als vom jungen Merenberg als Huldigung dargebrachter, gebrüllter Rocksong, der Ruedi zu Tränen rührt.
Von der Shakespeare‘schen Größe des vielschichtigen Stücks, in dem sich Politisches und Privates, Provinzielles und Welthistorisches vermengen, ist nicht viel übrig geblieben. Im Bestreben, das Nationale lächerlich zu machen, wird auch der zentralen Auseinandersetzung der beiden Protagonisten Tiefe genommen. Philosophisch und poetisch ist diese Inszenierung nicht. Pointiert und politisch sehr wohl. Und unterhaltsam. Reicht doch, könnte man angesichts des kräftigen Schlussapplauses sagen. Oder sollte es auch das Premierenpublikum mit Horneck halten? „Da tritt der Österreicher hin vor jeden, denkt sich sein Teil und läßt die andern reden!“
(S E R V I C E - „König Ottokars Glück und Ende“ von Franz Grillparzer, mit englischen und tschechischen Übertiteln. Regie und Bühne: Dusan David Parizek. Kostüme: Kamila Polivkova, Mit Gabor Biedermann, Karel Dobry, Peter Fasching, Thomas Frank, Rainer Galke, Anja Herden und Lukas Holzhausen. Volkstheater Wien, Nächste Aufführungen: 15., 17., 23., 28.1.; Karten: 01 / 52111-400, www.volkstheater.at)