“Loro“: Ein Monument für Berlusconi
Paolo Sorrentinos „Loro – Die Verführten“ ist eine virtuose Satire über die Mechanismen der Macht in Italien, aber auch ein Monument für Silvio Berlusconi.
Von Peter Angerer
Innsbruck –Wann immer beim Filmfestival von Venedig ein Wettbewerbsbeitrag des Medusa-Verleihs gezeigt wurde, setzte beim Auftauchen des Firmenlogos ein Pfeifkonzert ein, obwohl der Medusa-Mythos vom Versteinern der Betrachter erzählt. Die Pfiffe galten Silvio Berlusconi, der den Verleih 1995 gegründet hatte, um in seinem Medienimperium aus TV-Kanälen, Produktionsfirmen und Kinokette die Gewinne zu maximieren.
Paolo Sorrentino bevorzugte für die Präsentation seiner Filme das Festival von Cannes und kam erst gar nicht in die Verlegenheit, das venezianische Ritual kommentieren zu müssen, denn seinen größten Erfolg produzierten und vertrieben Berlusconis Firmen. Für „La Grande Bellezza“ gewann er 2014 den Auslandsoscar. In solchen Momenten der Euphorie drängen sich oft Ideen für neue Filme auf. Warum nicht nach einem Film über Giulio Andreottis Bußwege zwischen Mafia, Regierungsbank und Beichtstuhl („Il Divo“, 2008), einem über die Sinnsuche eines Gesellschaftsreporters oder einer TV-Serie über einen jungen Papst nun ein Film über Silvio Berlusconi, vielleicht sogar eine Satire über die Mechanismen der Macht in Italien? Dem mächtigen Mann aus Mailand muss die Idee gefallen haben, stellte er doch seine Villa auf Sardinien als Dreh- ort zur Verfügung, um dem Unternehmen Segen und Authentizität zu geben. Sorrentino inszeniert diesen Schauplatz als bizarre Mischung aus Xanadu und Neverland. Damit ist auch schon die Persönlichkeit des von Toni Servillo gespielten Politikers und Unternehmers vorgezeichnet. Wie Citizen Kane zieht Berlusconi nach seiner Abwahl als Ministerpräsident verbittert ins Exil, um über das Leben nachzudenken und vor allem mit den Mitteln von Korruption und Intrigen an seinem Comeback zu arbeiten. In „Loro“ – das sind im Deutschen „sie“ – taucht Berlusconi erst nach einer Stunde auf.
Am Anfang sieht man den süditalienischen Bauunternehmer und Provinzzuhälter Sergio Morra (Riccardo Scamarcio), dessen Lenden gegen den Hintern einer Prostituierten klatschen, zur Ekstase mischt sich ein Heureka-Erlebnis, denn auf der rechten Pobacke der Frau entdeckt Sergio das tätowierte Porträt des fröhlich grinsenden Berlusconis. Ein bisher dem Stumpfsinn gewidmetes Leben erhält endlich Sinn und Ziel. Wenn es Sergio gelänge, mit seinem Amazonenheer die Aufmerksamkeit des Cavaliere zu erregen, könnte alles möglich werden. Sergio ködert Frauen mit Drogen und Karrierevisionen in Berlusconis Partei und Unternehmen, für sich fasst er das Amt des Europaministers ins Auge und mietet sich in der Nachbarschaft Berlusconis ein. Tatsächlich greift der Genießer bald zum Fernglas, Sergio darf mit seiner erotischen Entourage in den Bunga-Bunga-Tempel übersiedeln. Trotz der virtuosen Choreografien ist die Tanzwut in der Dauer eine echte Nervenprobe.
Der moralischen Verkommenheit, die Berlusconi in beinahe allen Lebensbereichen zum politischen Prinzip erhoben hat, begegnet Sorrentino mit allegorischen Bildern, die Müllberge als ästhetische Sensation erscheinen lassen. Am Ende erkundigt sich der Bourgeois bei seinem Bodyguard Paolo, ob es nicht ein Berlusconi-Museum geben sollte. „Noch nicht!“, sagt der Beschützer, in dessen Gesicht zu sehen ist, dass er für die „Familie“ schon manches Problem gelöst hat. Dieses Museum hat nun Sorrentino mit seinem Film errichtet.