Brexit - Britisches Parlament nimmt Beratungen auf
London/Berlin (APA/Reuters/dpa) - In Großbritannien geht die Brexit-Debatte in die entscheidende Phase. Das Parlament nimmt am Mittwochnachm...
London/Berlin (APA/Reuters/dpa) - In Großbritannien geht die Brexit-Debatte in die entscheidende Phase. Das Parlament nimmt am Mittwochnachmittag seine Beratungen über den mühsam von Premierministerin Theresa May mit der EU-Kommission ausgehandelten Vertrag wieder auf. Die Abstimmung wird für den 15. Jänner erwartet.
May dringt auf eine Zustimmung des Unterhauses, um einen ungeregelten Austritt aus der EU zu verhindern. Der Ausgang der Abstimmung ist allerdings völlig offen, eine notwendige Mehrheit von 320 Stimmen noch nicht in Sicht. Der Vertrag ist vor allem auch in den Reihen von Mays Konservativer Partei umstritten. Der Ausstieg des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union soll am 29. März erfolgen.
Angewiesen sind May und ihre Konservativen auf die Stimmen der nordirischen DUP. Diese fordert jedoch, dass der Passus zum Notfallplan für die Grenze zum EU-Mitglied Irland gestrichen wird. „Nur damit können wir umgestimmt werden“, sagte der Brexit-Beauftragte der DUP, Sammy Wilson. Zu den Plänen der Regierung in London, der britischen Provinz mehr Kontrolle über die Einführung des Notfallplanes einzuräumen, äußerte er sich kritisch. Die Vorschläge seien „bedeutungslos“ und gingen nicht weit genug. Der Brexit-Vertrag sei insgesamt ruinös und so nicht zustimmungsfähig.
May hat eine Verschiebung des EU-Austritts wiederholt ausgeschlossen. Ihr Kabinettschef David Lidington warnte die Abgeordneten vor Forderungen nach einem neuen Vertrag. „Ich denke nicht, dass der britischen Öffentlichkeit mit Fantasien über magische alternative Verträge gedient ist, die irgendwie in Brüssel aus der Kiste springen.“ Das vorliegende Abkommen habe von beiden Seiten schwierige Zugeständnisse abverlangt.
Die EU hat Neuverhandlungen ausgeschlossen. Auch eine Verschiebung wird kritisch gesehen. Noch gehe es darum, einen harten Brexit unbedingt zu vermeiden, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in Berlin. Erst dann müsse man auch über eine Verschiebung nachdenken. „Aber jetzt ist es noch zu früh“, sagt Kurz am Rande einer Konferenz der deutschen Zeitung „Die Welt“.
Eine erste Abstimmung im Dezember hatte May einen Tag vorher verschoben, da sich eine Niederlage für die ausgehandelte Austrittsvereinbarung abzeichnete. Einen weiteren Rückschlag erlitt sie am Dienstag. Die Abgeordneten stimmten mehrheitlich für einen Gesetzeszusatz, der es erschwert, im Budget für 2019 zusätzliche Mittel für einen ungeordneten Brexit freizumachen. Dazu braucht der Finanzminister explizit die Zustimmung des Parlaments.
Sollte das Unterhaus den Brexit-Vertrag ablehnen, droht ein ungeordneter Austritt mit schweren Folgen für die Wirtschaft. Der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier äußerte die Hoffnung, dass eine rechtzeitige Ratifizierung des Brexit-Abkommens gelinge. „Bis dahin bleiben aber auch Vorbereitungen auf ein No-Deal-Szenario weiterhin essenziell – gerade auch für Akteure in der Wirtschaft.“
Eine Vizepräsidentin des Europaparlaments hält unterdessen eine Fristverlängerung beim Brexit für denkbar. „Wenn es helfen kann, warum nicht?“, sagte die deutsche SPD-Abgeordnete Evelyne Gebhardt im Radioprogramm SWR Aktuell (Mittwoch). Vorstellen könne sie sich eine Verlängerung um ein oder zwei Wochen Nachverhandlungen über die Inhalte des eigentlichen Brexit-Vertrags schloss Gebhardt jedoch aus.
Der Brexit-Koordinator der Europäischen Volkspartei (EVP) hält indes eine Verschiebung des Brexit-Termins für schwierig. „Es gibt nichts Neues zu verhandeln“, sagt der deutsche Europaparlamentarier Elmar Brok (CDU) in Brüssel. Eine Verschiebung des Austritts um zwei oder drei Monate wäre deshalb wenig sinnvoll. Anders wäre es, wenn sich die Situation in Großbritannien grundlegend ändern würde, etwa durch Neuwahlen oder eine zweite Brexit-Volksabstimmung.