Hahn sieht kaum Chance für Abbruch der Türkei-Beitrittsgespräche
Brüssel (APA) - EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn sieht für den vom EVP-Spitzenkandidaten Manfred Weber geforderten Abbruch der EU-Beit...
Brüssel (APA) - EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn sieht für den vom EVP-Spitzenkandidaten Manfred Weber geforderten Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei kaum Chancen. „Ich verstehe Weber“, sagte Hahn am Mittwoch in Brüssel. Er kenne aber auch die Haltung der EU-Staaten, fügte der EU-Kommissar hinzu. „Die wollen am gegenwärtigen Status nichts ändern.“
Die EU-Staaten seien zwar mit den Entwicklungen in der Türkei nicht glücklich. Die Türkei sei aber für Europa ein strategisch relevanter Partner, dies sei für viele auch unter dem Stichwort der NATO zu sehen, sagte Hahn. Die EU habe ihre Vorbeitrittshilfen für die Türkei bereits deutlich reduziert. Zudem sei die Gesellschaft in der Türkei gespalten. Eine nicht unerhebliche Zahl von Türken würden von Europa Unterstützung ihrer demokratischen Rechte erwarten, „da hat zweifellos der institutionelle Rahmen des Kandidatenstatus eine gewisse Relevanz“.
Weber habe Recht, dass es im Interesse beider Seiten sei, zu einer Beziehungsstruktur zu kommen, die den Realitäten entspreche und für beide erreichbar sei. Als Beispiele nannte Hahn ein Upgrade der Zollunion und den Energietransit. Die EU müsse ein Interesse an „geordneten Beziehungen“ und Stabilität in der Nachbarschaft haben.
Hahn verwahrte sich gegen Spekulationen, ob er in der nächsten EU-Kommission ab Herbst 2019 wieder vertreten sein könnte. „Das wird entschieden nach den Europawahlen“, sagte er. Für seine Dispositionsmöglichkeiten sei dies in jeder Hinsicht ausreichend.
Für die künftigen Beziehungen mit der Schweiz und der EU sieht Hahn keinen weiteren Verhandlungsspielraum. „Es liegt ein gutes Papier auf dem Tisch“, sagte der EU-Kommissar in Hinblick auf den Entwurf für ein Rahmenabkommen. Die EU habe sich schon „entsprechend gedehnt, für uns ist das Thema erledigt“. Die Bereitschaft der EU-Staaten, Sonderwege zu gewähren, habe deutlich abgenommen. Dies habe sich klar im Lichte der Brexit-Diskussion gezeigt.
Hahn plädierte für den Vorschlag der EU-Kommission, das Vetorecht in der EU-Außenpolitik abzuschaffen und zu Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit überzugehen. Dass die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini für eine Reaktion im russisch-ukrainischen Konflikt am Asowschen Meer drei Tage gebraucht habe, sei „auf Dauer nicht haltbar“. Leider gebe es „keinen besonderen Eifer bei einigen Mitgliedstaaten“, dem Vorschlag auch zu folgen. Hahn sieht den Grund dafür in Ängsten der betreffenden „üblichen Verdächtigen“, in Einzelfragen überstimmt zu werden.
Der EU-Kommissar erwartet den finalen Beschluss für die Lösung im Namensstreit mit Griechenland im mazedonischen Parlament bereits diese oder nächste Woche. Dann wäre dieser Prozess von Mazedonien (FYROM) abgeschlossen, und Griechenland müsste entsprechende Beschlüsse noch umsetzen, die eine Aufnahme des Nachbarlandes in die NATO ermöglichten. „Hier würde ich davon ausgehen, dass dieser Prozess Ende Februar abgeschlossen sein sollte. Dann wäre wirklich einer der ganz wenigen langjährigen internationalen Konflikte gelöst.“
Hahn bekräftigte das Angebot, im Zoll-Konflikt zwischen Serbien und Kosovo über Handelsbarrieren in einem eigenen Format zu diskutieren und diese Fragen einer Lösung zuzuführen. Er hoffe dieser Tage auf eine Antwort des Kosovo. Er gehe davon aus, dass in diesem Jahr weitere Verhandlungskapitel in den Beitrittsverhandlungen mit Serbien und Montenegro geöffnet werden, sagte Hahn.
Für März kündigte Hahn eine weitere Syrien-Konferenz der EU in Brüssel an. Im Mai werde in Brüssel das zehnjährige Jubiläum der Östlichen Partnerschaft begangen, und im Juli finde im polnischen Posen (Poznan) ein Westbalkan-Gipfel statt.
Für die Europawahl erwartet Hahn keine radikalen Veränderungen. Zwar werde es „eine Zunahme der militanten Antieuropäer“ geben, aber nicht in einer Größenordnung, bei der man „Zähneklappern“ bekomme. Für eine Mehrheit im Zentrum werde künftig eine dritte Fraktion erforderlich sein.
Der österreichischen Absage an den UNO-Migrationspakt kann Hahn „etwas abgewinnen“. Auch wenn der Pakt nicht rechtlich verbindlich sei, gebe es de facto ein Gewohnheitsrecht. Man könne den späten Zeitpunkt der Reaktion kritisieren, „das ist auch schon alles“. Auch zur Indexierung der Familienbeihilfe kann Hahn „die Befindlichkeiten auf österreichischer Seite nachvollziehen“. Es gebe unterschiedliche Rechtsmeinungen, die nun vom Europäischen Gerichtshof geklärt werden müssten.