Rumänien als EU-Ratsvorsitz im Krisenmodus
Bukarest (APA/dpa) - Rumänien hat es nicht leicht. Das Land befindet sich zum Auftakt seiner EU-Ratspräsidentschaft im Krisenmodus. Staatspr...
Bukarest (APA/dpa) - Rumänien hat es nicht leicht. Das Land befindet sich zum Auftakt seiner EU-Ratspräsidentschaft im Krisenmodus. Staatspräsident und Regierung sind sich spinnefeind. Und die im Kampf gegen Korruption sehr aktive Justiz befindet sich im Würgegriff der Politik. Kommen die dringenden Aufgaben auf EU-Ebene dabei zu kurz?
In diesem Jahr stehen für die EU eigentlich richtungsweisende Ereignisse an. Großbritannien wird die Staatengemeinschaft voraussichtlich am 29. März verlassen, im Mai wird das Europaparlament neu gewählt, wobei populistische und rechtsradikale Parteien deutlich zulegen könnten. Außerdem stehen wichtige Verhandlungen über den EU-Finanzrahmen von 2021 bis 2027 und die Reform der EU-Asylpolitik an.
Bei all dem bräuchte die Staatengemeinschaft wohl eher eine Präsidentschaft, die als souveräner Moderator auftreten und zwischen den ohnehin oft kaum unter einen Hut zu bringenden Interessen der übrigen 27 EU-Staaten vermitteln könnte. Eine Präsidentschaft, die in schwierigen Dossiers die Gespräche forciert und eigene Belange auch einmal hinten anstellt.
In Brüssel gibt es erhebliche Zweifel, ob Rumänien dies bei seinem ersten EU-Vorsitz leisten kann - und will. Selbst EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker bezweifelte zuletzt die Einigkeit und den Vermittlungswillen der Führung in Bukarest.
Seit dem EU-Beitritt 2007 ist Rumänien - ebenso wie das zeitgleich beigetretene Bulgarien - wegen der grassierenden Korruption ein Sorgenkind der EU. Brüssel hatte deswegen beide Länder unter Sonderüberwachung gestellt und den sehnlichst angestrebten Beitritt zum grenzkontrollfreien Schengen-Raum auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschoben. Rumänien hatte bis 2016 von der EU-Kommission in den Überwachungsberichten stetig bessere Bewertungen bekommen
Seit zwei Jahren scheint die sozialliberale Regierung aber bestrebt zu sein, diese Erfolge zunichtezumachen, durch aufgeweichte Strafgesetze und Angriffe gegen das Justizpersonal. Treibende Kraft ist dabei der Vorsitzende der regierenden Sozialdemokraten (PSD), Liviu Dragnea. Er ist wegen Wahlmanipulationen vorbestraft, darf nicht selbst Regierungschef werden, kontrolliert aber die Regierung. Er ist außerdem wegen mutmaßlicher Anstiftung zum Amtsmissbrauch und mutmaßlicher Veruntreuung von EU-Geldern im Visier der Justiz.
Trotzig hatte die Ministerpräsidentin Viorica Dancila (PSD) in den vergangenen Monaten immer wieder Kritik seitens der EU-Kommission und des Europaparlaments abgewiesen.
Staatspräsident Klaus Iohannis, der der bürgerlichen Opposition nahesteht, stellte sich hingegen auf die Seite der EU und der Justiz. Er stemmt sich unter anderem gegen die Personalvorschläge der Regierung für die Neubesetzung der Spitze der Antikorruptionseinheit der Staatsanwaltschaft. Zuletzt lehnte Iohannis auch die Neubesetzung der Armee-Spitze ab und verlängerte stattdessen das Mandat des aktuellen Generalstabschefs. Nun will das Verteidigungsministerium deswegen gegen Iohannis vor Gericht ziehen.
Streit gibt es außerdem darüber, wer eigentlich Rumänien während des EU-Vorsitzes vertritt - unter anderem bei den Treffen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel. Ministerpräsidentin Viorica Dancila hatte zuletzt Ansprüche angemeldet. Doch Außenminister Teodor Melescanu stellte klar, dass zwei Verfassungsgerichtsurteile hierfür den Staatschef vorsehen.
Doch das Land will die Präsidentschaft nichtsdestotrotz auch zur Imagepflege nutzen. Dass die Rumänen sich als Teil der westeuropäischen Zivilisation begreifen, signalisiert nun der Ort, an dem am Donnerstagabend die Ratspräsidentschaft mit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker feierlich eingeläutet wird: das Bukarester Konzerthaus Athenäum, Sitz der Staatsphilharmonie. Der vor mehr als 130 Jahren eingeweihte Bau war mit Spenden der Bevölkerung und auf Betreiben des gebildeten rumänischen Großbürgertums entstanden, das Ende des 19. Jahrhunderts die Bildung der Massen fördern wollte.
Indes geben immer mehr der rund 22 Millionen Rumänen die Hoffnung auf ein besseres Leben in ihrer Heimat auf und verlassen das Land. Mindestens 3,5 Millionen von ihnen arbeiten nach Schätzungen der Gewerkschaften im Ausland. Die Wirtschaft beklagt den Fachkräftemangel. Zudem zerreißt die Arbeitsmigration Familien - mit dramatischen Folgen für Kinder. Etwa eine Viertelmillion rumänischer Kinder wachsen derzeit nach Schätzungen ohne einen oder ohne beide Elternteile auf - weil viele Väter und Mütter, die im Ausland jobben, den Nachwuchs zu Hause lassen, in der Obhut von Großeltern, Nachbarn oder Kinderheimen.
Die Abwanderung der meist jungen und gut ausgebildeten Rumänen könnte mit ein Grund dafür sein, dass die EU-Begeisterung im Land in Umfragen weniger zu Buche schlägt als früher: 2015 hatten noch 77 Prozent der Rumänen ein positives Bild von der EU, im Dezember 2018 waren es laut Eurobarometer nur noch 52 Prozent. Es ist, immerhin, gerade noch ein wenig mehr als der EU-Durchschnitt von 48 Prozent.