Ein Polster zur Beruhigung
Die 81-jährige Telferin Marlene Hobeck lebt schon lange in den USA. Sie betreibt eine Näherei in San Francisco und fertigt Polster für Demente.
Von Alexandra Plank
Innsbruck, San Francisco –Zum Jahreswechsel erreichte die TT-Redaktion ein ganz besonderer Brief aus den USA. Marlene Hobeck wünschte uns und allen Tirolerinnen und Tirolern ein schönes Jahr. Die 81-Jährige, die 1967 nach San Francisco ausgewandert ist, erzählte uns eine wunderbare Geschichte, die auch für die fortdauernde Verbundenheit mit Tirol steht. Oder sollte man besser sagen: Der Faden ist nie abgerissen? Hobeck hat in Kalifornien vor mehr als 30 Jahren eine Näherei eröffnet. „Wir verarbeiten fertig gestickten Gobelin zu Zierkissen, Handtaschen, Wandbehängen, Teppichen und vor allem zu Christbaumschmuck“, erklärte die agile Seniorin (www.marlenecustompillows.com). Vor einigen Jahren habe ihr ein Innenarchitekt einen riesigen Sack voll mit weißer Wolle besticktem Stramin (Stickgitter Anm.) geschenkt, schreibt die Dame. Manche Stücke seien drei Meter lang gewesen. Der Schenker habe ihr erklärt, dass die Mutter seiner Kundschaft über zehn Jahre an der Alzheimer-Krankheit gelitten habe und das Sticken sie gleichermaßen beschäftigt und beruhigt habe. Vor einigen Monaten kamen dann die alte Heimat und auch die Tiroler Tageszeitung ins Spiel.
Wie die Unternehmerin schildert, las sie einen Artikel über einen Pfleger im Seniorenwohnheim, der den dementen Menschen bunte Kissen in die Hand gibt, damit sie diese halten können und sich geborgen fühlen. Die findige Dame begann daraufhin eigene Kissen zu entwerfen und anzufertigen. „Ich wollte, dass die Polster die Dementen, die oft sehr unruhig sind, nicht nur entspannen, sondern auch beschäftigen.“
Hobeck hat eine Vielzahl von Kissen entworfen, sie alle haben aber eines gemeinsam: „Die alten Menschen können mit den Händen etwas tun, zum Beispiel knüpfen und so kreativ sein“, schildert Hobeck. Diese Polster haben in den USA schon für Aufsehen gesorgt. So wurde ein Artikel darüber im Newsletter von Ray Dolby veröffentlicht. Wenn Ihnen der Name bekannt vorkommt: Ray Milton Dolby war ein amerikanischer Ingenieur. Er erfand mehrere wichtige Techniken im Zusammenhang mit der magnetischen Schallaufzeichnung und -wiedergabe. Der Erfinder litt an der Alzheimer-Krankheit. Seiner Frau hat er vier Milliarden Dollar hinterlassen. Sie gründete eine Stiftung zur Erforschung der Krankheit.
Demenzerkrankungen nehmen weltweit zu. Alzheimer ist die bekannteste Form. Aktuelle Zahlen unterstreichen die Bedeutung des Problems. Derzeit sind rund 11.000 Tiroler an irgendeiner Form der Demenz erkrankt. Mit dem Älterwerden der Bevölkerung steigt die Zahl der Erkrankungen an. Im Jahr 2030 sollen 16.000 Menschen von dieser Gehirnschädigung betroffen sein. Ab 75 Jahren tritt sie häufiger auf.
Im Wohnheim Lohbach gibt es eine Demenzstation. Krankenschwester Alexandra Gruber näht gern und hat für die Bewohner ehrenamtlich wunderschöne Decken gemacht. Die Nesteldecken bestehen aus unterschiedlichen Materialien, so sind etwa Reißverschlüsse eingearbeitet, oder Perlen, die bewegt werden können. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Pflegedienstleiterin Heidrun Kaltenegger erklärt, dass sich die Hilfsmittel sehr positiv auf die Stimmung der Bewohner auswirken: „Die Fühldecken sind gut für die Feinmotorik. Das Fühlen macht Spaß, sie sind beschäftigt und entspannen sich.“