Ausstellungen in Innsbruck: Das ganz Reale im Virtuellen
Zweifacher Aufbruch in virtuelle Körper bzw. Räume im Innsbrucker aut. architektur und tirol, deren aktiver Teil der Ausstellungsbesucher werden kann, sofern er will.
Von Edith Schlocker
Innsbruck –Dass das Virtuelle in unser aller Leben einen immer größeren Platz einnimmt, ist ein Faktum. Welche Auswirkungen der mit Chips bestückte Mensch der Zukunft auf die Architektur haben wird, orakelte bereits 2012 Wolfgang Tschapeller bei seiner Installation im Österreich-Pavillon der venezianischen Architektur-Biennale. Ihr Kurator war aut-Chef Arno Ritter, der nun in „seinem“ Haus sozusagen die Fortsetzung des Venedig-Auftritts präsentiert. In der Form eines Forschungsprojekts der 33-jährigen tanzenden Architektin Christine Jauernik, das an Tschapellers Institut für Kunst und Architektur der Wiener Akademie der bildenden Künste entstanden ist.
Das Ergebnis ist spektakulär. Auf zwei großen Leinwänden surfen scheinbar schwerelos zwei Figuren durch den Raum. Auf einen ersten Blick kommen sie wie aus Holz geschnitzt daher, in Wirklichkeit sind sie aber künstlich generierte Figuren, die unmittelbar mit sehr realen Menschen zu tun haben. Wie das funktioniert, wird auf der Galerie des aut vorgeführt, wo zwölf Kameras montiert sind, die die Menschen, die sich hier bewegen, exakt vermessen bzw. ihren Bewegungen folgen und zu den ihren machen.
Der Ausstellungsbesucher wird auf diese Weise gleichzeitig zum Betrachter und das Geschehen aktiv steuernden Akteur. Er leiht den virtuellen Figuren sozusagen seine Koordinaten und Gesten, während die Hüllen anonym bleiben. Um sich auf diese Weise sozusagen im Körper eines anderen zu bewegen, ihn aus den unterschiedlichsten Perspektiven zu betrachten, sogar in seinem Inneren zu erkunden. Ein interaktives Experiment, auf das sich nicht nur der Kunstinteressierte gern einlässt, sondern das auch von psychotherapeutischem Nutzen ist.
Um die Synthese von realen und virtuellen Objekten und Räumen geht es auch in der Kunst von Valerie Messini und Damjan Minovski. Die beiden gelernten Architekten kreieren surreale Räume im Kopf, die bisweilen ziemlich real daherkommen, meist aber an solche erinnern, wie man sie aus Träumen kennt. Visionen der Erweiterung des Raums, wie sie in den 1960er-Jahren u. a. Hans Hollein oder Walter Pichler angestellt haben, haben Messini und Minovski zu ihrem virtuellen Spaziergang „head in a cloud“ inspiriert, den jeder Ausstellungsbesucher aktiv antreten kann, sobald er/sie sich die 3D-Brille aufsetzt.
Die Geschwindigkeit bzw. die Perspektive, mit der man sich auf diese Reise in phantastische Bildwelten und unterschiedlich emotional aufgeladene Erinnerungsräume einlässt, ist frei steuerbar. Egal, ob man glaubt, nicht beschränkt von physikalischen Gesetzmäßigkeiten am Mars, Wolkenkratzern oder Gesteinsbrocken vorbeizusausen, die Bilder sind immer positiv besetzt. In der raffinierten Überlagerung von Lichtpunkten spielend mit Sehnsuchtsräumen, die sehr persönlich besetzt seien, so die junge Boznerin Valerie Messini.
Als Bindeglied zwischen den beiden Installationen wurde im aut ein großer Tisch aufgestellt, belegt mit Literatur, in der es um diverse Varianten der Veränderung gängiger Wahrnehmungsmöglichkeiten geht.