Schwedische Filminstitutschefin: „Musste noch nie zur Quote greifen“
Sevilla/Wien (APA) - Anna Serner gilt in ihrer Branche als Ikone in Fragen der Gendergleichberechtigung. Die 54-Jährige ist Chefin des Schwe...
Sevilla/Wien (APA) - Anna Serner gilt in ihrer Branche als Ikone in Fragen der Gendergleichberechtigung. Die 54-Jährige ist Chefin des Schwedischen Filminstituts und hat dieses seit ihrem Amtsantritt 2011 zu einer weltweit beachteten Institution gemacht. Im Rahmen des jüngst in Sevilla verliehenen Europäischen Filmpreises skizzierte Serner den Schlüssel für die Gleichstellung der Geschlechter im Filmgeschäft.
Dieser lasse sich letztlich auf den Nenner bringen: Qualitätskriterien. „Es geht bei einer guten Geschichte nicht darum, dass man das ‚im Gefühl‘ hat“, so Serner. Das Bauchgefühl trüge oft, trage doch jeder - Mann oder Frau - seine Lebensgeschichte unbewusst mit sich. Ihr Gegenmittel für den Umgang mit Förderanträgen sei deshalb die Entwicklung dreier Parameter gewesen, die ein Projekt erfüllen müsse: Relevanz, Originalität und Handwerk.
Originalität könne etwa auch ein ungewöhnliches zusammengestelltes Team sein, aber auch das Thema betreffen. Die Relevanz müsse ein Filmemacher oder eine Filmemacherin glaubhaft vertreten können, und das handwerkliche Können sei eine Grundvoraussetzung: „Wir wollen schließlich Filme machen, für die Menschen auch bereit sind, ein Ticket zu kaufen.“
Bei den hehren Vorsätzen dürfe man es allerdings nicht belassen, weshalb man am Schwedischen Filminstitut die eigenen Kriterien retrospektiv stets evaluiere. Dazu hat Serner Prognosecharts entwickelt, die nach einem ausgeklügelten Punktesystem für Festivalerfolge, Kritikerzuspruch und Zuschauerzahlen anzeigen, wo ein Werk am Ende zu verorten ist. Dabei sei sie gar nicht unglücklich, wenn eines der geförderten Werke ein Misserfolg werde: „Wir möchten, dass Filme auch mal scheitern - sonst zeigt sich, dass wir kein Risiko eingehen.“
Diesen restriktiven Weg müsse man in Schweden nicht zuletzt deshalb gehen, da die Zahl der jährlich vom Filminstitut unterstützten Werke ob der zur Verfügung stehenden Mittel gering sei - und 2017 nur bei 13 gelegen habe. Die Ablehnungsquote unter ihrer Ägide sei von 80 auf 95 Prozent gestiegen, verteidigte Serner ihren Weg. Und wo bleibt der Schwerpunkt auf die Frauenförderung? Wenn man sich an diesen Richtlinien orientiere, folge die gleichberechtigte Beteiligung von Frauen am Filmgeschäft quasi zwangsläufig auf dem Fuße, ist Serner überzeugt. Sie sei seit sieben Jahren im Amt, „und ich musste nie zum Mittel der Quote greifen“.
Diese Einschätzung lässt sich durchaus bestätigen, blickt man auf die Zahlen des aktuellen Reports „The Money Issue“ zur Gendergerechtigkeit. So lag der Anteil an vom Filminstitut geförderten Regisseurinnen 2013 bis 2015 bei 49 Prozent, beim Drehbuch bei 44 Prozent und bei der Produktion bei 54 Prozent. 56 Prozent aller nationalen Filmpreise in den Kategorien Regie, Produktion und Drehbuch gingen in den Jahren 2010 bis 2017 an Frauen. Und von den 16 erfolgreichsten schwedischen Filmen aller Zeiten stammten sieben von Regisseurinnen. „Ich sage nicht, dass Männer nicht fantastisch sind - aber ihr seid nicht alleine“, so Serners Fazit.
Und zugleich zeigt die Zusammenschau der verfügbaren Zahlen im „Money Issue“ auch die noch nötigen Baustellen auf. So haben weibliche Regisseure im Schnitt etwa ein um sechs Mio. Kronen (584.738 Euro) geringeres Budget zur Verfügung. Gerade im privaten Sektor tendierten Geldgeber dazu, Männern mehr Geld zur Verfügung zu stellen, so Serner. Zugleich würden viele angehende Filmemacherinnen bei der Anfrage für einen Blockbuster vorsichtig reagieren: „Sie wissen, dass du als Frau nur einmal scheitern darfst.“
In Summe gelte es als Förderinstitut im Filmbereich einen neuen, auf Daten basierenden Weg einzuschlagen, auch wenn dieser zunächst auf Widerstand stoße: „Es hat noch nie Veränderung ohne Konfrontation gegeben.“
(S E R V I C E - Report zum Download: www.filminstitutet.se)