TT-Interview

Flörsch: „Ich will nicht für immer ‚das Mädchen mit dem Unfall‘ sein“

Rennfahrerin Sophia Flörsch: Mit fünf Jahren fuhr sie ihr erstes Kartrennen, mit 16 startete sie in der deutschen Formel-4-Meisterschaft durch, punktete dort als erste Frau und legte im Jahr darauf in der Formel-3-Serie los.
© imago/HochZwei/Suer

Ihr Horror-Unfall in Macau ging um die Welt, die Münchner Formel-3-Rennfahrerin Sophia Flörsch (18) will sich davon aber nicht ausbremsen lassen.

St. Anton – Mit 275 km/h krachte Sophia Flörsch im November bei einem Formel-3-Rennen in eine Fotografen-Tribüne. Die Welt sah ihr sozusagen dabei zu, das Video erreichte Rekordquoten. Die Deutsche überlebte und ging als „Wunder von Macau“ in die Motorsport-Geschichte ein. Acht Tage später spazierte Flörsch mit Wirbelbrüchen aus dem Spital, feierte ihren 18. Geburtstag und legte auch ihre Halskrause ab. Die Tiroler Tageszeitung traf sie beim Sportgipfel Tirol in St. Anton.

Wie oft haben Sie sich Ihren Unfall selbst angesehen?

Sophia Flörsch: Das weiß ich nicht genau, aber sicher öfter. Auf Social Media war das ja überall – verrückt, was da alles entstanden ist. Jetzt sehe ich die Bilder nur noch zufällig. Ich kann sagen, dass ich damit abgeschlossen habe. Aber es ist immer noch ein Schock, weil das Video superschlimm ist.

Welche Erinnerungen haben Sie daran?

Flörsch: Es ist alles noch da, weil ich bei Bewusstsein war. Bei 275 km/h geht alles sehr schnell. Ich flog durch die Luft und habe instinktiv die Hände vom Lenkrad genommen. Für mich war alles gar nicht so schlimm. Es war wie ein normaler Unfall, der eben zur Folge hatte, dass ich ins Krankenhaus musste.

Das hört sich pragmatisch an …

Flörsch: Die ersten Wochen nach dem Unfall konnte ich noch nicht so reden, auch weil ich Schmerzen hatte. Nachdem ich jetzt aber schon alles machen kann wie davor und ich in ein paar Wochen wieder im Auto sitzen kann, bin ich voll positiver Gedanken. Es war ein Stein, der mir in den Weg gelegt wurde, ein sehr großer Stein, über den ich mit sehr viel Glück gesprungen bin.

Die Untersuchungen ergaben, Sie haben keine Schuld am Unfall. Half Ihnen das?

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Flörsch: Das ist für einen Sportler natürlich sehr beruhigend, vor allem, weil ja auch noch andere Menschen daran beteiligt waren und leider verletzt wurden. Da fällt einem ein Stein vom Herzen. Natürlich habe ich auch selbst geschaut, ob man was anders hätte machen können. Aber es wurde mir oft genug bestätigt, dass es nicht mein Verschulden war oder ein Gebrechen des Autos. Es war leider viel Pech, aber unterm Strich halt auch wieder sehr viel Glück.

… und nun sind Sie berühmt.

Flörsch: Der Unfall ist um die Welt gegangen und dadurch kennen mich jetzt sehr viele Menschen, die mich vorher nicht gekannt haben. Und viele Menschen werden, wenn sie mich sehen, immer an dieses Video denken. Der Unfall hat viele negative, aber auch irgendwie positive Seiten. Ich wollte die Bekanntheit aber nicht damit erreichen, sondern mit einem Erfolg. Jetzt muss ich aber eben damit umgehen und das Beste daraus machen. Was ich nicht will, ist, dass ich für immer „das Mädchen mit dem Unfall“ bin. Ich will das nicht dramatisieren. Es ist passiert, es ist gut und jetzt geht es weiter.

Haben Sie schon eine Idee, dies loszuwerden?

Flörsch: Ich glaube, dass ich heuer gute Chancen auf Erfolg in der Formel 3 habe, und ich hoffe, diese Schlagzeile mit dem Unfall auszubessern auf irgendetwas, das mit Erfolg zu tun hat, und dass sich dann genauso viele Leute dafür interessieren.

Oder mit einem Formel-1-Einsatz?

Flörsch: Das sowieso! Aber ich denke immer von Saison zu Saison bzw. von Wochenende zu Wochenende. Die Formel 1 ist mein Traum, seit ich klein bin, und ich werde das weiterhin verfolgen. Leider liegt es noch drei, vier, fünf Jahre entfernt.

Ist es für Frauen schwerer, sich im Motorsport durchzusetzen?

Flörsch: Du musst selbstbewusster auftreten und dich im Vergleich zu den Männern mehr beweisen. Das ist der ausschlaggebende Punkt. Vor allem bei den Sponsoren. Die wollen immer noch mehr sehen als von den Jungs. Vermutlich weil es in der Vergangenheit leider schon ein paar Frauen gab, die es nicht geschafft haben, oder zumindest nicht viele, die sich durchsetzten. Man muss jedenfalls härter sein und damit klarkommen, vor allem als junges Mädchen. Jetzt verstehe ich das, es motiviert mich sogar. Aber mit zwölf Jahren verstehst du nicht, warum manche dir nicht vertrauen oder nicht an dich glauben.

Sophia Flörsch setzte im Rahmen des 1. Sportgipfel Tirol ihr Markenzeichen an die Gästewand.
© APA/Hetfleisch

Dabei bekommt man als Motorsportlerin doch auch viel Aufmerksamkeit.

Flörsch: Ja, weil man heraussticht. Sponsoren müssen aber ihr Geld investieren, da geht es um keine kleinen Summen. Sie überlegen es sich so schon dreimal und bei einer Frau fünfmal. Oder auch bei Regelauslegungen kann es schwierig sein. Ob ich als Frau eine härtere Strafe bekommen habe, weiß ich nicht, aber es ist halt doch irgendwie ein Macho- und Männersport. Es gibt viele, die Frauen in der Formel1 sehen möchten, aber eben auch ein paar, die das nicht wollen.

Was können Frauen im Motorsport besser?

Flörsch: Wir sind überlegener … äh, überlegter wollte ich sagen (lacht). Nicht so testosterongesteuert. Auch was die Teamfähigkeit betrifft, haben Frauen, glaube ich, einen kleinen Vorteil.

Sind Frauen dann auch die besseren Einparker?

Flörsch: Da kann ich von mir jetzt nicht sprechen. Nachdem man auf der Rennstrecke nie einparken oder rückwärtsfahren muss, ist das nicht so meine Stärke.

Das Gespräch führte Sabine Hochschwarzer

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