TT-Interview

Moser-Pröll: „Waren ja nicht mit Monstern unterwegs“

Die Salzburgerin Annemarie Moser-Pröll - Österreichs Jahrhundertsportlerin steht ungewollt im Zentrum der #metoo-Debatte.
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Österreichs Jahrhundertsportlerin Annemarie Moser-Pröll kam zuletzt weniger durch ihre 62 Weltcup-Siege als durch ihren Zeugenauftritt in einem Prozess in die Medien. Sie habe Ex-Trainer Charly Kahr nichts vorzuwerfen.

Wie empfinden Sie die im Oktober 2017 ausgelöste Missbrauchs-Debatte im österreichischen Skisport?

Moser-Pröll: Ich bin gegen jede Art von sexueller Gewalt und Missbrauch, das gehört verurteilt, da sind wir uns alle einig. Aber ich bin lange Zeit mit übler Nachrede belästigt worden, die unter die Gürtellinie ging.

Sie sprechen von einem Prozess rund um Ex-Trainer Charly Kahr, in dem Ihnen in den 70er-Jahren ein Athleten-Vorgesetzten-Verhältnis unterstellt wird.

Moser-Pröll: So eine Sauerei, das kann man nicht erklären. Wahrscheinlich haben die Verursacher keine Beweise und jetzt brauchen sie mich, dass ich für was gerade stehe, was nie passiert ist.

Das Video zur TV-Debatte

Der Skisport der 70er- und 80er-Jahre geriet durch die Debatte in ein besonders schiefes Licht.

Moser-Pröll: Vergiss’ unsere frühere Zeit! Es tut mir leid, denn wir haben heute solche Helden wie den Marcel und den Hermann. Dann kommen solche Themen und man muss sich echt fragen: Ist das noch normal in der Sportwelt? Unsere Helden sollen auch unsere Helden bleiben.

Kam es damals zu unkorrektem Verhalten, zu disziplinären Ausfällen?

Moser-Pröll: Jeder musste Leistung bringen, um aufgestellt zu werden. Wir haben uns gegenseitig gepusht, deshalb auch die Erfolge. Und wenn von Alkohol geredet wird: Jeder kann sich vorstellen, dass keine Spitzenleistungen möglich sind, wenn Alkohol im Spiel ist. Was wir damals in einer Saison getrunken haben, trinken die Jungen heute auf einer Party.

Gab es denn Vertrauenspersonen im Team, an die man sich hätte wenden können?

Moser-Pröll: Von 1968 bis 1970 war Christl Haas Ansprechpartnerin der Damen, dann folgten Hilde Hofherr und Olga Pall. Es war immer eine Frau dabei.

Gab es strenge Regeln für den Zugang zu den Zimmern?

Moser-Pröll: Die Richterin fragte mich beim letzten Prozess, ob die Zimmer damals abgesperrt waren. Ich war verwirrt: Man soll 50 Jahre zurückdenken! Dann kommt man auf Verschiedenes drauf. Es gab Stockbetten, da war kein Zimmerschlüssel. Ein Betreuer wurde damals beauftragt nachzuschauen, ob alle im Bett sind. Der hatte eine Aufgabe, eine Verantwortung uns gegenüber. Wir waren ja nicht mit Monstern unterwegs!

Sie sprachen über eine harte Zeit, als Sie zuletzt mit all den Vorwürfen über WhatsApp konfrontiert worden sind.

Moser-Pröll: Ich bin aufgefordert worden, die Wahrheit zu sagen, das ist unter der Gürtellinie. Das muss versteckter Hass und Neid sein, sonst gibt es das nicht. Ich habe schlaflose Nächte, denn wenn Sie so etwas kriegen, muss man das erst verarbeiten, da muss man schon eine starke Persönlichkeit sein. Zu Silvester 2017/18 kam kurz vor Mitternacht eine Nachricht, dass CK (Charly Kahr) 2018 auffliegen würde. So ging das dahin – das kann es ja nicht sein.

Was verletzt Sie so sehr?

Moser-Pröll: Die haben meinen ganzen Freundeskreis angepatzt: Charly, meinen Trainer, der mir in jungen Jahren so viel gegeben hat, dem ich dankbar bin, dass ich so viel erreicht habe. Oder Oskar Brändle, früher technischer Direktor und später mein Brautführer. Der hatte fünf Töchter und hätte nie etwas Derartiges geduldet.

Wie beurteilen Sie die Vorwürfe gegen Toni Sailer, der als Trainer ausfällig geworden sein soll.

Moser-Pröll: Wir kamen damals von Appetone in die hohe Tatra zum Weltcup-Finale, wo auch die Herren waren. Was hätte ich wissen sollen? Toni war für mich Vorbild, ich habe ihn angehimmelt. Was Besseres, als dass er 1972 unser Chef wurde, konnte uns nicht passieren.

Kamen die Vorwürfe aus heiterem Himmel?

Moser-Pröll: Ich denke, das war von langer Hand geplant und #metoo kam da gerade recht. Eine Woche nach der Causa Pilz ging man damit an die Öffentlichkeit.

Wie blicken Sie mit dem jetzigen Wissensstand auf die vergangenen Monate zurück?

Moser-Pröll: Das Ganze nagt nach wie vor an mir. Ich habe einen Gerechtigkeitssinn und mag nicht, wenn man Leute anpatzt, ohne Namen zu nennen.

Wie empfinden Sie die über den Sport hinausgehende #metoo-Debatte?

Moser-Pröll: Anonym – dagegen wehre ich mich. Ich spiele jede Woche in einer Herren-Runde Tennis und fühle mich dort wohl und aufgehoben. Ich glaub’ schon, dass es darauf ankommt, wie sich eine Frau verhält.

Entgleitet die Debatte also Ihrer Meinung nach?

Moser-Pröll: Ja, so sehe ich das. Als ich 1971 an die Weltspitze fuhr, bekam ich jedes Monat von Alice Schwarzer einen Brief. Sie suchte Prominente, damit sie in Sachen Gleichberechtigung unterstützt wird. Ich machte nicht mit, weil ich nie das Gefühl hatte, dass ich irgendwo benachteiligt wurde. Schön langsam tun mir die Männer leid.

Das Gespräch führte Florian Madl

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