„Hartinger hat nichts im Griff, Kickl will alles im Griff haben“
Warum SPÖ-Manager Thomas Drozda nichts von den Vereinigten Staaten von Europa hält und was seiner Meinung nach dem Kanzler fehlt.
Welche Schwerpunktsetzung plant die SPÖ für die kommenden Monate?
Thomas Drozda: Wir haben uns bei der Klubklausur speziell mit den Themen Konjunktur, Arbeitsmarkt und Steuerreform sowie Pflege und Wohnen auseinandergesetzt. Aktuell schlägt jetzt die Wirtschafts- und Arbeitsmarktentwicklung zu Buche.
Weshalb gerade diese beiden Themen? Die Wirtschaft floriert, die Arbeitslosenzahlen sinken.
Drozda: Die Zahlen geben — selbst abseits der weltpolitischen Verwerfungen — leider Hinweise auf eine abflachende Konjunktur. Es stimmt zwar, dass die Arbeitslosenzahlen noch im Sinken sind, aber mit einer großen Ausnahme: Bei den über 50-Jährigen nimmt die Arbeitslosigkeit zu. Deshalb war es auch ein großer Fehler dieser Regierung, die Aktion 20.000 abzuschaffen. Diese Aktion war speziell für die älteren Menschen gedacht, über einen zweiten Arbeitsmarkt wieder Beschäftigung zu finden, um so wieder den Weg zurück in den ersten Arbeitsmarkt zu finden. Diese Aktion mit einem Umlaufbeschluss am 1. Jänner einfach abzudrehen, war ein kaltherziges Unterfangen. Gerade jetzt müssten Wirtschaftsimpulse gesetzt werden.
Die Regierung würde jetzt behaupten, dass deshalb jetzt die Steuerreform kommen soll.
Drozda: Bei dieser angekündigten Steuerreform ist der Begriff Mogelpackung noch eine freundliche Umschreibung. Es ist eine Luftnummer, wenn die Regierung behauptet, erst in den Jahren 2021/22 die Entlastungen umsetzen zu wollen, aber auch dann nicht in dem Ausmaß der kalten Progression.
Welche Absicht verfolgt Ihrer Meinung nach die Regierung?
Drozda: Ich erkenne bei Kurz und Co. eine mangelnde ökonomische Weitsicht, gepaart mit Kalkül: „Kündige möglichst großspurig Reformen an, rede lange darüber und lobe dich für das, was du alles vorhast.“ Die Regierung verfängt sich in einer Anhäufung des Konjunktivs, was man sonst nur vom Grammatikunterricht her kennt. Sie tritt mit der Forderung eines 12-bis 14-Milliarden-Volumens für eine Steuerreform an, geworden sind es dann sechs Milliarden Euro, aber auch diese kommen im Endausbau erst im Jahr 2022. Ich muss es zugeben: So eine Chuzpe habe ich nicht für möglich gehalten. Wir werden deshalb in den kommenden Monaten hartnäckig auf die Verschlechterung für die älteren Arbeitnehmer hinweisen und auf die Wiedereinführung der Aktion 20.000 pochen.
Von einem gewissen Willen zur Kooperation zwischen Opposition und Regierung. Wie bewerten Sie den Beschluss der Koalitionsmehrheit von ÖVP und FPÖ für eine Rechnungshofprüfung Ihrer Amtszeit als Kaufmännischer Leiter des Burgtheaters?
Drozda: Die Regierung bedient sich hier eines Instruments der Opposition. Wir sind damit blockiert, Prüfanträge zu stellen. Ich habe zwar kein Problem mit dieser Prüfung, habe nichts zu verbergen, aber man merkt die Absicht und ist verstimmt.
Die SPÖ wird wohl in den EU-Wahlkampf mit einer proeuropäischen Positionierung gehen ...
Drozda: ? das ist eine risikolose Prognose ...
... doch was heißt proeuropäisch? Die Antwort über die Finalität Europas bleibt auch die SPÖ schuldig. Die NEOS fordern etwa die Entwicklung der EU hin zu den Vereinigten Staaten.
Drozda: Wir stehen für eine Weiterentwicklung der EU hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit, Fairness und Steuergerechtigkeit. Ich stehe für eine evolutionäre Entwicklung und halte nichts vom Philosophieren über die Vereinigten Staaten von Europa. In Zeiten des ungeklärten Brexits, in denen zugleich die Rechten das Ziel verfolgen, die EU zu zerstören, sind solche Debatten kontraproduktiv. Ich halte sie für verantwortungslos, weil, zu Ende gedacht, dies in 27 Staaten eine Volksabstimmung bedeuten würde. Mag sein, dass es toll ist, eine Vision für das 22. Jahrhundert zu haben, aber wir werden sicher den Herren Salvini, Vilimsky oder Orbán nicht die Freude machen, mit solchen Forderungen in den Wahlkampf 2019 zu gehen.
Dann kommen wir zum Zustand der SPÖ. Dort scheint ja vieles noch nicht zu funktionieren. Wenn ich etwa an die jüngste Sondersitzung im Parlament denke. Die SPÖ hatte in den vergangenen Jahren die Verantwortung im Gesundheitsressort und behauptet nun, die Regierung, knapp ein Jahr im Amt, sei für den Ärztemangel verantwortlich. Das war doch ein Eigentor für die SPÖ?
Drozda: Die Ministerinnen und Minister der SPÖ haben viele Reformen, bis hin zur Schaffung von Gruppenpraxen, auf den Weg gebracht. Zugleich stellen wir fest, dass seit 13 Monaten in der Gesundheitspolitik nichts passiert, außer der Ankündigung, das Sozialversicherungssystem zerschlagen zu wollen. FPÖ-Gesundheitsministerin Hartinger-Klein ist eine einzige Fehlbesetzung wie sonst nur Innenminister Herbert Kickl. Hartinger-Klein hat nichts im Griff und kennt sich nicht aus, Kickl will hingegen mit unlauteren Methoden alles in den Griff bekommen.
Die Koalition freute sich über diese Sondersitzung, beantragt von der SPÖ.
Drozda: Ich würde bitten, die Rede von Hartinger-Klein nachzuschauen. Sie konnte auf keine einzige Frage eine Antwort geben.
Es war also richtig, dies zum Thema zu machen?
Drozda: Ja, weil es die Menschen unmittelbar betrifft.
Wie sind Sie mit der Neuaufstellung in der SPÖ-Parteizentrale zufrieden?
Drozda: Beim Personal, bei der Ausbildung des politischen Nachwuchses, sind wir auf einem guten Weg. Was den digitalen Raum anlangt, haben wir Nachholbedarf. Das ist ein offenes Geheimnis.
Josef Hübner wurde ob seiner harschen Kritik aus der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter ausgeschlossen. Soll er auch aus der Partei ausgeschlossen werden?
Drozda: Ich sehe keinen Nutzen darin, durch ein Ausschlussverfahren die Diskussion noch zu befeuern.
Das Gespräch führte Michael Sprenger