Facebook zeigt sich zum 15. Geburtstag immun gegen Skandale
Facebook stand in den vergangenen Monaten so stark in der Kritik wie nie zuvor. Doch das schlug weder auf die Nutzerzahlen, noch auf das Geschäft durch. Die Ambitionen des Online-Netzwerks sind zum 15. Geburtstag jedoch bescheidener geworden.
Menlo Park — Das größte Geschenk zum 15. Geburtstag haben Facebook die Nutzer gemacht: Sie kehrten dem Online-Netzwerk trotz immer neuer Enthüllungen und Negativ-Schlagzeilen nicht den Rücken. So konnte Facebook wenige Tage vor dem Jahrestag am 4. Februar verkünden, dass die Zahl mindestens einmal im Monat aktiver Mitglieder im vergangenen Quartal um rund 50 Millionen auf 2,32 Milliarden angewachsen ist.
„Die Zahlen sprechen für sich"
Das war nicht unbedingt zu erwarten, denn auch im vergangenen Vierteljahr hagelte es abschreckende Facebook-Nachrichten. So musste die Plattform im Oktober eingestehen, dass unbekannte Hacker sich Zugang zu ortsbezogenen Daten von rund 14 Millionen Nutzern verschafft haben könnten. Facebook löschte erneut von Russland aus gesteuerte Accounts, die die US-Kongresswahlen beeinflussen wollten. Von britischen Parlamentsabgeordneten veröffentlichte interne E-Mails zeichneten ein wenig schmeichelhaftes Bild der Facebook-Führung. Und das ist nur eine Auswahl.
Facebook — Die Chronologie I
- 2003: Der 19-jährige Harvard-Student Mark Zuckerberg programmiert die Website FaceMash.com. Studenten der Elite-Uni können dort Fotos von Kommilitoninnen vergleichen und ihre Attraktivität beurteilen. Die Harvard-Leitung ist nicht amüsiert und sperrt die Website innerhalb von zwei Tagen.
- 2004: Mit drei Studienfreunden entwickelt Zuckerberg eine neue Plattform mit dem Namen thefacebook.com. Auf ihr können sich die Studenten vorstellen und Kontakte knüpfen. Die Website wird rasch populär, bald dürfen auch Studenten anderer Hochschulen mitmachen.
- 2004: Zuckerberg bricht das Studium ab und zieht von der US-Ostküste in das kalifornische IT-Mekka Silicon Valley um. Der Hedgefonds-Manager Peter Thiel steigt mit 500.000 Dollar als erster Investor in sein Unternehmen ein.
Ging das alles also wirklich spurlos vorbei, machten nicht zumindest einige Nutzer in Europa und den USA ihre Facebook-Accounts dicht, wollte ein Analyst nach Vorlage der Quartalszahlen wissen. „Ich würde die Zahlen einfach für sich sprechen lassen", konnte Finanzchef Dave Wehner lässig entgegnen. Und die Zahlen zeigen: Selbst in Europa, wo Facebook in den beiden Quartalen davor jeweils eine Million Nutzer verloren hatte, gab es jetzt einen Sprung von 375 auf 381 Millionen Nutzer. Rund 282 Millionen kamen sogar täglich.
Blendendes Geschäft mit Werbekunden
Die vielen Nutzer — und ihre Daten — sichern auch die Werbeerlöse. Der Quartalsumsatz sprang um 30 Prozent auf 16,6 Milliarden Dollar hoch. „Die meisten Werbekunden von Facebook kennen keinen anderen Ort, an dem ihre Investitionen so effizient sind", sagte Analyst Rich Greenfield von der Finanzfirma BTIG dem Finanzdienst Bloomberg. Facebook weiß eben so viel über seine Mitglieder, dass es Werbekunden zielgenau die richtigen Adressaten auftischen kann. Das ist auch ein blendendes Geschäft für das Online-Netzwerk selbst: Bei Facebook blieben 6,9 Milliarden Dollar als Gewinn in der Kasse hängen.
Facebook — Die Chronologie II
- 2006: Zuckerberg schlägt Milliardenangebote von Viacom und Yahoo zur Übernahme seiner Firma aus. Er wandelt Facebook von einer Plattform nur für Studenten in ein Netzwerk für alle um. Zum Jahresende hat Facebook zwölf Millionen aktive User im Monat.
- 2008: Zuckerberg schließt einen Vergleich über 65 Millionen Dollar mit den Zwillingen Tyler und Cameron Winklevoss. Sie werfen ihm vor, ihnen in Harvard die Facebook-Idee gestohlen zu haben. Im weiteren Jahresverlauf löst Facebook den Konkurrenten MySpace als weltweit beliebtestes Online-Netzwerk ab und knackt die Marke von 100 Millionen aktiven Nutzern. Inzwischen gibt es auch eine deutschsprachige Facebook-Version.
- 2009: Facebook führt den "Like-Button" mit dem hochgestellten Daumen ein. Die Nutzer können damit signalisieren, dass ihnen etwas gefällt oder sie etwas unterstützen. Der Button avanciert zu einem der populärsten Bedienungselemente der Plattform. Facebook startet auch seine erste App für Smartphones.
Insgesamt 2,7 Milliarden Nutzer greifen jetzt auf mindestens einen Dienst aus dem Hause Facebook zu. Selbst wer Facebook verlässt, bleibt oft dem Konzern verbunden: So gab die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel vor ein paar Tagen zwar ihren Facebook-Account auf — blieb aber bei Instagram.
Zugleich muss Facebook sein Geschäft ständig anpassen, wie das Online-Netzwerk selbst einräumt. Die Nutzer kommen zwar zu Facebook — und zur Fotoplattform Instagram und dem Chatdienst WhatsApp, die ebenfalls zum Konzern gehören — aber ihr Verhalten ändert sich. Die sogenannten „Stories", bei denen man Fotos und Videos für einen Tag für Freunde verfügbar macht, erfreuen sich schnell wachsender Beliebtheit. Bei Instagram greifen 500 Millionen Nutzer auf die Funktion zu — täglich. Nur: Facebook ist erst dabei, Anzeigeplatz in den „Stories"-Formaten einzurichten. Von den insgesamt sieben Millionen Werbekunden sind erst zwei Millionen in den „Stories" aktiv.
Facebook — Die Chronologie III
- 2010: Das Netzwerk wird von mehr als einer halben Milliarde Menschen im Monat aktiv genutzt. Als erster Promi hat Popstar Lady Gaga dort mehr als zehn Millionen Fans. Der Kinofilm "The Social Network" setzt sich kritisch mit der Entstehung von Facebook auseinander - Zuckerberg ist nicht amüsiert. Doch Trost kommt von "Time": Das US-Magazin ernennt ihn zur Persönlichkeit des Jahres, weil er "die Art verändert, wie wir täglich unsere Leben leben".
- 2011: Nach Beschwerden über den Umgang mit Nutzerdaten sagt Facebook den US-Behörden zu, seine Datenschutzbestimmungen zu verschärfen und von unabhängiger Seite kontrollieren zu lassen.
- 2012: Facebook kauft die Bilderplattform Instagram für eine Milliarde Dollar. Beim bisher größten Börsengang der Tech-Branche sammelt Facebook rund 16 Milliarden Dollar ein und wird mit mehr als 100 Milliarden Dollar bewertet. Die Zahl der aktiven Nutzer steigt einige Monate danach auf mehr als eine Milliarde.
- Facebook kauft den Kurznachrichtendienst WhatsApp für etwa 19 Milliarden Dollar.
Zuckerberg will Facebook „reparieren"
Das zeigt, wie schnell sich Facebook bewegen muss — aber auch wie anpassungsfähig sich das Online-Netzwerk in den vergangenen 15 Jahren erwiesen hat. Instagram und WhatsApp wurden gekauft, bevor sie Facebook gefährlich werden konnten. Die Gründer des Fotodienstes Snapchat schlugen ein Übernahmeangebot aus und landeten mit den „Stories" als erste einen Hit. Facebook kopierte sie kurzerhand für alle seine Produkte und schickte Snapchat in die Krise.
Facebook selbst gibt sich nach den jüngsten Nackenschlägen und Skandalen demütiger als früher. Zum 10. Jahrestag sprach Gründer und Chef Mark Zuckerberg noch von der „Verantwortung", die restlichen zwei Drittel der Erdbevölkerung ins Internet zu bringen. Die hochtrabenden Pläne, das unter anderem mit Satelliten und Drohnen zu erreichen, verliefen sich jedoch. Und Facebook konnte auch nie dem Vorwurf entkommen, das Online-Netzwerk wolle die Leute eigentlich ins Netz bringen, um mehr Nutzer zu bekommen.
Die Ambitionen sind seitdem — notgedrungen — kleiner geworden. Am 10. Jahrestag kündigte Zuckerberg noch an, in seinem zweiten Jahrzehnt werde Facebook mit noch mehr Ressourcen helfen, größere und wichtigere Probleme zu lösen. Inzwischen geht es ihm darum, „Facebook zu reparieren", damit die Plattform nicht wieder zur Manipulation von Wahlen wie in den USA oder zur Anstiftung zum Völkermord wie in Myanmar genutzt wird. (APA/dpa)
Facebook — Die Chronologie IIII
- 2017: Facebook durchbricht die Marke von zwei Milliarden aktiven Usern monatlich. Auf diese Erfolgsmeldung folgt das Eingeständnis, dass die Seiten des Unternehmens von mutmaßlichen russischen Agitatoren für massive verdeckte Desinformationskampagnen während des US-Präsidentschaftswahlkampfs missbraucht worden waren.
- 2018: Ein noch größerer Skandal bricht über Facebook hinein. Heraus kommt, dass die britische Datenanalysefirma Cambridge Analytica heimlich die Daten von rund 87 Millionen Nutzern abgegriffen hat. Sie wurden unter anderem für den Wahlkampf von US-Präsident Donald Trump benutzt. Zuckerberg zeigt sich in einer Kongressanhörung zerknirscht und nennt eine Regulierung seiner Branche "unvermeidlich".
- 2019: Die Skandale haben dem Geschäft von Facebook offenbar nicht allzu sehr geschadet. Der Konzern vermeldet für das vorherige Geschäftsjahr einen Gewinnanstieg um 39 Prozent auf 22,1 Mrd. Dollar (19,2 Mrd. Euro). Die technische Zusammenführung von WhatsApp, Instagram und dem Facebook Messenger ("Whatstabook") soll für weitere Erfolge sorgen.