Vor „Rede zur Lage der Nation“: Trump will an Einheit appellieren
Kurz nach Ende des längsten je dagewesenen Shutdowns tritt US-Präsident Donald Trump zur Rede zur Lage der Nation an. Dabei wird erwartet, dass er den Ruf nach einer Mauer an der Grenze zu Mexiko erneuert – und auch an die nationale Einheit appellieren wird. Ob dieser Spagat gelingen wird, ist ungewiss. Die Demokraten warnen vor möglichen Unwahrheiten.
Washington – Inmitten des Streits um den US-Haushalt und die Grenzsicherung hält Präsident Donald Trump am Dienstagabend (Ortszeit; Nacht zum Mittwoch 3 Uhr MEZ) seine mit Spannung erwartete Rede zur Lage der Nation. Bei dem Auftritt vor dem Kongress will Trump laut Ankündigung des Weißen Hauses zur parteiübergreifenden Zusammenarbeit aufrufen.
Die traditionelle Rede des Präsidenten war heuer Spielball der Politik geworden. Sie war wegen der – inzwischen vorübergehend aufgehobenen – Haushaltssperre um eine Woche verschoben worden. Die demokratische Sprecherin im Repräsentantenhaus hatte Trump zuerst zur Rede eingeladen und dann aufgrund des Budgetnotstandes wieder ausgeladen. Trump beharrte kurz darauf, die Rede zu halten – um dann doch klein beizugeben. Nach der Aufhebung des Shutdowns setzte Pelosi die Rede wieder an.
Ausgelöst worden war die fünfwöchige Teilstilllegung der Bundesbehörden durch den Streit zwischen Trump und den oppositionellen Demokraten um von ihm geforderte Milliarden für eine Mauer an der Grenze zu Mexiko. In dem Streit ist weiterhin kein Kompromiss in Sicht. Derzeit ist lediglich ein Übergangshaushalt in Kraft, der am 15. Februar abläuft.
Trump will erneut auf Bau einer Mauer pochen
Den längsten Shutdown der Geschichte der Vereinigten Staaten wird der US-Präsident in seiner Rede nicht ignorieren können. Mitarbeiter des Präsidenten berichteten der Washington Post, Trump werde in der Rede einen Plan im Budgetstreit vorlegen und einmal mehr seine Forderungen nach einem Mauerbau an der Grenze zu Mexiko erneuern.
Vor allem aber werde die Rede einen „sehr amerikanischen, anpackenden, optimistischen Ansatz“ widerspiegeln, sagte der Zeitung ein hochrangiger Regierungsmitarbeiter. Der Präsident werde eine „inspirierende Vision von amerikanischer Größe“ vorstellen sowie eine „politische Agenda, hinter der sich beide Parteien scharen können“, so ein Regierungsmitarbeiter.
Außerdem wird Trump wohl einmal mehr seine eigene Regierungsarbeit feiern. So werden der Handelskrieg mit China und die Verhandlungen mit dem nordkoreanischen Regime Thema sein. Der Präsident bereitet gerade einen zweiten Gipfel mit Nordkoreas Staatschef Kim Jong-un vor. Die Rede wird sich Insidern zufolge etwa zur Hälfte mit der Außenpolitik beschäftigen. Unter anderem werde Trump auch den geplanten Truppenabzug aus Syrien und Afghanistan ansprechen.
Zustimmungswerte fielen ins Bodenlose
Für den US-Präsidenten kommt die Gelegenheit, vor der gesamten nationalen Öffentlichkeit seine Agenda zu verteidigen, gerade recht. Im Zuge des Shutdowns rasselten seine ohnehin bereits geringen Zustimmungswerte in den Keller. Einer aktuellen Umfrage von Washington Post/ABC News zufolge kommt Trump nur noch auf eine Zustimmungsrate von 37 Prozent. 58 Prozent der Amerikaner missbilligen demnach dessen Amtsführung.
Wie nachhaltig ein möglicher Aufschwung nach einer vereinenden Rede sein wird, ist jedoch fraglich. Der US-Präsident ist nicht dafür bekannt, gemäßigte Töne anzuschlagen, wenn der Teleprompter aus ist. Bereits nach seiner ersten Rede wurde Trump für sein staatsmännisches Auftreten gelobt – nur um wenig später mit seinem eigenen Verhalten dies wieder zunichte zu machen.
Und auch aktuell nimmt er es mit der Überparteilichkeit nicht gerade ernst. In einem Interview mit CBS News beschuldigte er etwa die demokratische Chefin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi der Unterstützung des „Menschenhandels“ – wegen ihrer Weigerung, Gelder für den Bau einer Mauer freizugeben.
Demokraten warnen vor „alternativen Fakten“
Die Demokraten warnen indes davor, Trump könne versuchen mit erfundenen Fakten und Zahlen aufzuwarten. „Was ich erwarte, ist, dass der Präsident die Realität ignorieren und sich seine eigene Fiktion zurechtlegen wird“, sagte Chuck Schumer, der demokratische Minderheitsführer im Senat. „Die Frage ist nur, wie viele Falschheiten, Verzerrungen und erfundenen Fakten in der Rede des Präsidenten vorkommen werden“. Trump-Beraterin Kellyanne Conway hatte wegen der vielen Falschmeldungen aus dem Weißen Haus einst die Wortkreation „alternative Fakten“ geprägt.
Und auch von Expertenseite wird erwartet, dass der Präsident mit seinem Ruf nach Einheit nicht nachhaltig Erfolg haben wird. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es funktionieren wird“, sagte Peter Wehner, einst Redenschreiber für George W. Bush, der Washington Post. „Selbst wenn er den richtigen Ton trifft, wird Trump das innerhalb von Tagen mit einer Twitter-Attacke auf die Demokraten oder den Sonderermittler [Robert Mueller, Anm] zunichte machen“, so Wehner. (mats, APA)
US-Demokratin Abrams wird auf Trumps Rede antworten
Die US-Demokraten haben am Dienstag die bei den Gouverneurswahlen im US-Bundesstaat Georgia unterlegene Kandidatin Stacey Abrams dazu erkoren, auf die Rede zur Lage der Nation von Präsident Donald Trump zu antworten. „Sie ist einfach eine großartige Sprecherin, sie ist eine unglaubliche Anführerin“, sagte der Fraktionsführer der Demokraten im US-Senat, Chuck Schumer.
Abrams erlangte im vergangenen Jahr in den USA Bekanntheit, als sie im Rennen um den Gouverneursposten in Georgia nur knapp dem Republikaner Brian Kemp unterlag. Sie hat derzeit kein politisches Amt inne, wie es sonst für Vertreter der Demokraten üblich ist, welche die offizielle Reaktion der Partei auf die Rede des US-Präsidenten vortragen.
Die 45-jährige Abrams ist zudem die erste Afroamerikanerin, die diese Aufgabe übernimmt. Sie gilt als Anwärterin der Demokraten für einen Sitz im US-Senat im Jahr 2020. Sie fühle sich „geehrt“, die Antwort auf Trumps Rede geben zu dürfen, erklärte die ehemalige Abgeordnete des Repräsentantenhauses in Georgia.
„Stacey Abrams verkörpert den amerikanischen Traum und ihre kraftvolle Botschaft des Fortschritts für alle ist in diesen Zeiten dringend notwendig für unser Land“, sagte die demokratische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi.