USA

Neuer Behördenstillstand droht: Amerika als politisches Sperrgebiet

Trump bei der Besichtigung von Prototypen für die von ihm geforderte Mauer.
© AFP

Mit dem Streit um eine Mauer an der Grenze zu Mexiko hat in den USA der Wahlkampf 2020 begonnen.

Von Floo Weißmann

Washington — Im Streit um eine Mauer an der Grenze zu Mexiko haben die Unterhändler von Republikanern und Demokraten einen Kompromiss gefunden, der aber weit hinter der Forderung von Präsident Donald Trump zurückbleibt. Bis Redaktionsschluss war offen, ob Trump dem Kompromiss zustimmt. Er hatte erst am Montag gepoltert, er werde die Mauer bauen. Gibt es bis Freitag keine Lösung, droht ein neuerlicher Stillstand der Regierungsbehörden. Trump spielt außerdem mit dem Gedanken, den Notstand ausrufen, um Geld umzuschichten und die Mauer quasi am Kongress vorbei zu bauen.

Die bestehende Grenze in Arizona.
© Reuters
  • 1 Wie stellt sich Trump die Mauer vor? — Im Wahlkampf hatte Trump eine sechs Meter hohe Betonwand entlang der gesamten, mehr als 3000 Kilometer langen Grenze gefordert. Die Kosten dafür würden Dutzende Milliarden Dollar betragen. Trump erklärte ursprünglich, Mexiko werde dafür bezahlen; doch Mexiko denkt nicht daran. Zudem droht ein Rechtsstreit mit privaten Grundbesitzern, der den Bau um Jahre verzögern kann. Zuletzt forderte Trump noch fünf Mrd. Dollar für gut 300 Kilometer Mauer.
  • 2 Was sieht der Kompromiss vor? — Offiziell drang zunächst nichts nach außen. Laut US-Medien wollen die Unterhändler der Parteien knapp 1,4 Mrd. Dollar für knapp 90 Kilometer Zaun bereitstellen. Das Paket mit weiteren Maßnahmen müsste bis Freitag beide Häuser des Kongresses passieren und vom Präsidenten unterzeichnet werden.
  • 3 Welche Barrieren existieren bereits? — In Ballungszentren und an früheren Schmugglerrouten gibt es seit Jahren unterschiedliche Arten von Zäunen sowie Fahrzeugsperren, ergänzt durch Sensoren, Kameras, Luftaufklärung usw. Nicht befestigt wurde die Grenze bisher vor allem in Wüsten und Gebirgen sowie in Flusstälern, wo auch die Ökologie und das Wassermanagement eine Rolle spielen.
  • 4 Wie argumentiert Trump für die Mauer? — Sie solle illegale Einwanderung stoppen, die Trump mit Kriminalität und sinkenden Löhnen gleichsetzt, sowie Drogenschmuggel und Terroristen. Er spricht von einer Sicherheitskrise.
  • 5 Was sagen die Faktenchecker dazu? — Die Zahl der Aufgriffe an der Südgrenze ist gesunken. Viele illegal in den USA lebende Menschen sind ohnehin mit einem Visum legal ins Land gekommen (aber nicht zurückgekehrt). Die Kriminalitätsrate von Einwanderern ist niedriger als die von in den USA Geborenen. Drogen werden großteils durch offizielle Grenzkontrollstellen geschmuggelt. Was Terroristen betrifft, ist bisher kein Fall bekannt. „Es ist grundlegend unehrlich, den Migrantenstrom als nationale Krise zu charakterisieren, die die volle Mobilisierung der Bundesregierung verlangt", sagte der US-Politologe David Rowe der TT.
  • 6 Was wollen die Demokraten? — Die meisten Demokraten haben die bestehenden Grenzbefestigungen unterstützt, und schon Präsident Barack Obama hat den Kampf gegen illegale Einwanderung verstärkt. Doch Hunderte Kilometer Mauer geißeln die Demokraten als Verschwendung von Steuergeld. Stattdessen boten sie an, die Grenzüberwachung technisch aufzurüsten. Natürlich geht es auch darum, das Prestigeprojekt des Präsidenten zu verhindern.
  • 7 Warum hält Trump gegen Fakten und Kongress an der Mauer fest? — „Indem er Ängste aufbläst, dass die USA von Horden gesetzloser Einwanderer überrannt werden, ist Trump bestrebt, die Unterstützung an seiner Basis zu stärken, die entscheidend ist für seine Wiederwahl 2020", sagt Rowe. Wie der Präsident den Konflikt populistisch einrahmt, zeigte seine Rede zur Lage der Nation: Eliten drängten auf offene Grenzen, während sie selbst hinter Mauern leben, und die Arbeiterschicht zahle dafür den Preis, sagte Trump. Rowe sieht zudem einen Machtkampf der Verfassungsorgane. Ein Kompromiss würde dem Repräsentantenhaus de facto Gleichberechtigung mit dem Präsidenten zugestehen, und das wäre für Trumps Präsidentschaft eine „existenzielle Bedrohung".
  • 8 Wieso kocht der Konflikt gerade jetzt hoch? — Rowe sieht die Eskalation als Folge der Kongresswahl im November. Diese habe unterstrichen, wie unpopulär Trump ist. Die Republikaner schwächelten sowohl in traditionellen Hochburgen als auch in Bundesstaaten, die entscheidend waren für Trumps Wahlsieg. Rowe: „Die Wahl zeigte an, dass Trump keine dauerhafte politische Koalition versammelt hat, die die Basis für sein­e Wiederwahl bilden kann." Deshalb der Mobilisierungsversuch mithilfe der Mauer. Sie funktioniert zugleich als Signal an jene weißen Trump-Wähler, bei denen die demografischen Veränderungen in den USA Ängste auslösen.
  • 9 Geht Trumps Rechnung auf? — „Ich glaube nicht, dass Trumps Botschaft außerhalb seiner Basis starken Widerhall findet, aber dafür sehr starken innerhalb der Basis", meint Rowe. Unter Republikanern hat die Unterstützung für die Mauer seit 2016 von 63 auf 82 Prozent zugelegt, erhob Pew Research. Am ehesten auf Trumps Linie sind dabei ältere Weiße ohne Collegeabschluss — Trumps Kernwählerschaft. Unter Demokraten ist die Unterstützung für die Mauer im selben Zeitraum von 13 auf sechs Prozent gefallen.

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