Aare 2019

Wie Rocky Balboa auf der Skipiste

Der Osttiroler Alexander Köll startet für Schweden.
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Zwei Tiroler, die auszogen, um die Ski-Welt zu erobern: Der Osttiroler Alexander Köll (28) will Schwedens Speed-Team in die Zukunft führen, der Pitztaler Simon Breitfuss-Kammerlander (26) kämpft eisern für Bolivien.

Aus Aare: Roman Stelzl

Aare –Als Alexander Köll sich am Mittwoch zum Start des WM-Super-G in Aare begibt, steht das Rutschkommando Spalier und empfängt ihn mit einer Laola-Welle. Unter den Mitarbeitern tauchen rundum fast nur Bekannte auf – und als der 28-jährige Osttiroler aus Matrei dann die Ski anschnallt, sein Name ausgerufen wird, brandet im spärlich besuchten Zielraum erstmals richtig Jubel auf.

Köll, das Bindeglied zwischen Österreich und dem WM-Austragungsland, wird seine Wahl-Heimat nicht enttäuschen. Rang 20 ist für ihn das beste Karriere-Resultat, er lässt die Norweger Kjetil Jansrud und Aleksander Aamodt Kilde hinter sich – und auf Gold fehlen gerade mal 1,08 Sekunden.

Simon Breitfuss-Kammerlander geht für Bolivien an den Start.
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„Das ist ein Riesenerfolg für uns. Und für das ganze schwedische Team“, wird Köll neben seiner Osttiroler Freundin Lisa wenig später in seinem kleinen Appartement neben dem Zielstadion erzählen.

Dieses „Wir“ schimmert im Gespräch mit dem Doppel-Staatsbürger, der seit 2009 für die Skandinavier fährt, sehr oft durch. Obwohl Köll selbst festhält, „halb Schwede, halb Osttiroler“ zu sein, so brennt seine ganze Begeisterung für den hohen Norden.

Dabei war es eine fast spontane Entscheidung, die den Absolventen der Bad Hofgasteiner Skihotelfachschule zum Nationenwechsel bewegte. „Im schwedischen Skiverband wollten sie unbedingt, dass ich für sie starte. Der österreichische Skiverband ließ mich ohne Probleme ziehen. Daher habe ich alles auf eine Karte gesetzt und es versucht“, erklärt Köll.

Seine Mutter Camilla kam in der 1980er-Jahren nach Matrei, arbeitete als Rezeptionistin im Hotel Goldried, das sie nun seit bereits 25 Jahren leitet. Die Liebe zu einem Skilehrer hielt sie in Tirol. „Daraus bin ich entstanden. Jetzt sitzen wir hier“, lacht Köll.

Sein Wohnort blieb stets in Osttirol, sein Herz im schwedischen Landskrona, wo er jeden Sommer bei der im letzten Jahr verstorbenen Oma verbringen sollte. „Sie hat mit uns nur Schwedisch gesprochen, das war ihr wichtig“, erzählt Köll über seine größten Fans. Der 95-jährige Opa hatte ihn kurz nach dem Super-G bereits fünfmal angerufen.

Wo seine sportliche Reise hingehen soll, kann Köll, der in Aare 2015 Abfahrts-Meister wurde, nicht sagen: „Die Ziele sind extrem hoch, aber ich will mich kontinuierlich steigern.“ Den Sturz in der Abfahrt von Kitzbühel (Prellungen) Ende Jänner musste er erst verarbeiten („Mir war vor dem Super-G richtig schlecht“) – und die morgige WM-Abfahrt soll aber nicht nur für ihn ein Push sein. Sondern für das ganze schwedische Team. Denn dort seien die Speed-Fahrer im Aufschwung. Köll: „Es tut sich extrem viel. Vor vier Jahren hatten wir bei Meisterschaften 50 Leute am Start, jetzt sind es 120. Ich und meine Kollegen können die Vorbilder sein, die uns fehlten.“

Angesprochen auf Simon Breitfuss-Kammerlander erkennt Köll auch in der Geschichte des Bolivianers aus dem Pitztal Vorbildwirkung. „Ich habe größten Respekt vor ihm“, erklärt der erste von zwei „Tirolern“ in der morgigen Abfahrt. Und Köll ergänzt: „Er ist ein sympathischer Bursche, haut sich überall runter. Er bekommt zwar sein Paket, aber das ist ihm egal – er zieht sein Ding durch.“

Und besser lässt sich der 26-Jährige aus St. Leonhard im Pitztal kaum beschreiben. Breitfuss-Kammerlander, der als Student in Südamerika entschied, für Bolivien zu starten, war anfangs nur belächelt worden. Doch nach Jahren der eisernen Arbeit im Zwei-Mann-Team mit Papa Rainer mimt der nimmermüde Allrounder (fünf Starts bei der WM, fährt alle Disziplinen im Weltcup!) nicht mehr nur den bunten Vogel.

Nach seiner ersten Streif-Abfahrt Ende Jänner erhob sich das Publikum trotz mehr als sieben Sekunden Rückstand und klatschte lautstark Beifall. „Das hat mir sehr viel bedeutet. Die Leute merken, wie viel Arbeit wir investieren“, erzählt Breitfuss-Kammerlander bei einem kurzen Spaziergang durch Aare.

Dabei ist das Wort Exot für den ehemaligen Wirtschaft-Studenten aus La Paz längst keine Bezeichnung mehr, die Breitfuss-Kammerlander gefällt. „Die Leute sollten wissen, was ein Exot ist. Mir geht es nicht darum, dabei zu sein. Wir geben so lange Gas, bis wir es schaffen, an den anderen dran zu sein“, ergänzte der Tiroler, während sein Handy mit der Titelmelodie des US-Films Rocky Balboa läuft.

Passender könnte die Geschichte des Boxers, der aus dem Nichts zum Star wird, kaum sein. Dabei gleicht der Kampf eher jenem von Don Quijote gegen die Windmühlen. Das hoch gesteckte Ziel, die Top 30, bedeutet gleichzeitig ein Ringen mit den besten Skiverbänden der Welt. Während Papa Rainer als Trainer und Servicemann die Ski noch selbst präpariert. Finanziell ist alles immer „am Limit. Oder darüber hinaus.“

Es ist eine Welt, von der das Kraftpaket nach Rang 40 im WM-Super-G, vier Sekunden hinter Edelmetall, nur bedingt etwas hören will. „Ich war schon immer ein Kämpfer“, ergänzt der Pisten-Rocky mit eiserner Miene. „Wenn man etwas macht, dann muss man es richtig machen. Sonst lasse ich es lieber gleich sein. Denn was ist schon wirklich leicht im Leben?“

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