Das Leben, süßsauer: „Marillen & Sauerkraut“ von Harald Jöllinger

Wien (APA) - Harald Jöllinger war bei einem Jazzgitarrenworkshop in der Toskana. Dort war alles irgendwie erwartbar. Bis auf den letzten Abe...

Wien (APA) - Harald Jöllinger war bei einem Jazzgitarrenworkshop in der Toskana. Dort war alles irgendwie erwartbar. Bis auf den letzten Abend. Da wurde ein Teilnehmer ermordet aufgefunden. Alle hatten durch den gemeinsamen Abschlussabend in einer Taverne ein Alibi. Bis auf die Frau eines Hobbygitarristen, die ebenfalls im Quartier zurückgeblieben war. Pech gehabt.

In eine von etwas mehr als zwei Dutzend Kurzgeschichten, die nun zu seinem ersten Buch zusammengefasst sind, hat sich Harald Jöllinger als Figur selbst hineingeschrieben. Es geht nicht immer mörderisch zu in ihnen, aber das Geschehen kann schon eskalieren. Es sind nicht immer Verlierer am Wort, aber nur selten ziehen sie das große Los. Und es sind nicht einmal immer Menschen, die die Gelegenheit zum großen Monolog ergreifen. „Marillen & Sauerkraut“ betitelt Jöllinger, 1973 in Mödling geboren und Absolvent der Leondinger Akademie für Literatur, sein Buch, in dem sich Kraut und Rüben finden. Das Leben gibt es seinen Helden süßsauer.

„Gschupfte und grantige Gschichtn“ nennt Jöllinger seine Sammlung im Untertitel und grantelt in der Danksagung, dass das dünne Bändchen etwas dicker geworden wäre, hätte seine Lektorin ihm „nicht die Hälfte der Geschichten herausgestrichen...“ Möglicherweise hat die Lektorin ihren Job einfach gut gemacht, denn noch in dem, was übriggeblieben ist, finden sich beachtliche Qualitätsschwankungen.

Jöllinger ist nicht wirklich ein Dialektautor, hat aber das Ohr sehr weit offen für die Sprache jener, denen das Leben übel mitgespielt hat, die vielleicht gar keine Chance bekommen oder sich selbst aus dem Rennen genommen haben. Erst das Raunzen macht die Welt erträglich. Manche seiner Geschichten sind nichts anderes als Bestandsaufnahmen verpfuschten Lebens. Aber es gibt auch solche mit Knalleffekt und welche, die schon in ihrer Konzeption aus der Reihe fallen.

Einmal ergreift der pflichtbewusste Smith & Wessen 357 Magnum Revolver eines Bank-Bewachers das Wort. In einer Geschichte wartet eine durstige Gelse in einem griechischen Ferienzimmer auf die nächsten Gäste. Einmal wird das Problem, dass der lästige Nachbarshund einem mit seinem Gebell ständig auf die Nerven geht, in scheinbar logische Problemlösungsschritte zerlegt, die jedoch immer grotesker werden. Ein anderes Mal gehen ein Pfarrer und eine Krähe eine Komplizenschaft ein, die in die schwärzesten Winkel der Seele führt. In Geschichten wie diesen zeigt Harald Jöllinger, dass Potenzial in ihm steckt.

(S E R V I C E - Harald Jöllinger: „Marillen & Sauerkraut“, Kremayr & Scheriau, 208 Seiten, 19,90 Euro)