Brexit-Drama

May holt sich Abfuhr bei EU, Tusk: „Kein Durchbruch in Sicht“

Die britische Premierministerin Theresa May und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.
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Die britische Premierministerin Theresa May hat sich erwartungsgemäß bei der EU eine Abfuhr für Neuverhandlungen geholt. Es sollen jedoch weiter Gespräche geführt werden.

Brüssel – Die britische Premierministerin Theresa May hat sich auf ihrer Brüssel-Reise mit der Forderung nach einem neuem Brexit-Vertrag eine Absage eingefangen. Nüchtern fiel das Fazit von EU-Ratspräsident Donald Tusk nach seinem Gespräch mit May aus: „Weiter kein Durchbruch in Sicht. Die Gespräche gehen weiter.“

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker habe unterstrichen, dass die restlichen 27 EU-Länder sich einig seien, das Austrittsabkommen nicht neu zu verhandeln, hieß es nach einem Treffen am Donnerstag in einer gemeinsamen Erklärung von Juncker und May. Die britische Premierministerin sagte, sie habe ihre Optionen geschildert, wie sie die Bedenken des britischen Parlaments in der Irland-Frage angehen könne. Nun soll verhandelt werden, und man will sich bis Ende des Monats wiedersehen. „Ich habe bei den Spitzenpolitikern den Wunsch gesehen, einen Austritt Großbritannien aus der EU mit einem Deal sicherzustellen“, sagte May.

Merkel: Deal auch ohne neue Verhandlungen möglich

Nach Worten der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel kann ein geregelter Austritt Großbritanniens aus der EU auch ohne das Aufschnüren des Brexit-Vertrags erreicht werden. Alle Seiten hätten ein Interesse daran, einen ungeregelten Austritt zu verhindern. Deshalb sei es auch die Pflicht der EU dazu beizutragen.

May steht nach ihrem Brüssel-Kurztrip indes mit leeren Händen da. Sie hatte den Parlamentariern in London vorige Woche versprochen, den von ihr selbst ausgehandelten Ausstiegspakt mit der EU erneut aufzuschnüren. Weniger als zwei Monate vor dem geplanten Abschied aus der EU am 29. März stehen die Bedingungen für den Brexit immer noch nicht fest. Bürgern und Unternehmen auf beiden Seiten des Ärmelkanals droht ein ungeordneter Ausstieg mit gravierenden Folgen.

Stein des Anstoßes im 585 Seiten starken Brexit-Vertrag ist für die Mehrheit des britischen Parlaments insbesondere eine Klausel (Backstop), welche die Wiedereinführung einer harten Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem britischen Nordirland verhindern soll. Befürchtet wird ein Wiederaufflammen des Nordirland-Konflikts. Abgeordnete in Westminster warnen dagegen vor einer Zweiteilung des Königreichs, falls der Backstop greifen sollte und Nordirland damit stärker an die EU gebunden würde als der Rest Großbritanniens. May versprach deshalb „tiefgreifende und juristisch wasserdichte Änderungen“. Vollkommen aus dem Vertrag tilgen will May die ungeliebte Irland-Klausel aber nicht. Sie habe der EU versichert, dass es einen Backstop geben werde, sagte der liberale Europaparlamentarier und Chef des dortigen Brexit-Ausschusses, Guy Verhofstadt.

Britische Wirtschaft auf Niveau der Finanzkrise

Angesichts der Unsicherheiten wegen des Brexits senkte die Bank von England bereits ihre Konjunkturprognose für dieses Jahr. Sie erwartet jetzt nur noch einen Anstieg des Bruttoinlandsproduktes von 1,2 Prozent. Damit würde die britische Wirtschaft auf das schwächste Wachstum seit der Finanzkrise vor zehn Jahren zusteuern. Im November war noch ein Plus von 1,7 Prozent erwartet worden.

Unterdessen stellte die Labour-Partei May fünf Bedingungen für eine Unterstützung ihrer Brexit-Pläne im Parlament. May solle eine dauerhafte Zollunion mit der EU zusagen, die auch ein Mitspracherecht in künftigen Handelsabkommen sichere, forderte Labourchef Jeremy Corbyn in einem Brief an die Regierungschefin. Zudem verlangt er eine enge Anbindung an den EU-Binnenmarkt, eine Zusage, die Arbeitnehmerrechte auf EU-Niveau zu halten, und Zusagen zur künftigen Beteiligung des Landes an EU-Agenturen und -Finanzierungsprogrammen. Des weiteren fordert er Vereinbarungen über künftige Sicherheitsabmachungen, etwa weiteren Zugang zum europäischen Haftbefehl. Diese Bedingungen müssten rechtsverbindlich beschlossen werden, bevor Großbritannien aus der EU austrete. (APA/Reuters)

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