Sozialwirtschaft - Warnstreiks nächste Woche in 75 Betrieben
Wien (APA) - Nach dem Scheitern der Verhandlungen über den Kollektivvertrag in der Sozialwirtschaft wird es nächste Woche „in 75 Betrieben a...
Wien (APA) - Nach dem Scheitern der Verhandlungen über den Kollektivvertrag in der Sozialwirtschaft wird es nächste Woche „in 75 Betrieben an ausgewählten Standorten“ Warnstreiks geben. Das kündigte der Verhandlungsführer der Gewerkschaft, der stellvertretende GPA-Bundesgeschäftsführer Reinhard Bödenauer, am Freitag im Gespräch mit der APA an. Er versicherte aber, dass man den Klienten nicht schaden werde.
Die Warnstreiks werden aufgeteilt auf drei Tage von Dienstag bis Donnerstag jeweils abwechselnd in den 75 Betrieben stattfinden. Davon betroffen sollen etwa Behindertenwerkstätte oder Einrichtungen für die Nachmittagsbetreuung sein. Ein Notbetrieb sei überall garantiert, versicherte Bödenauer. Er betonte, dass sich auch die Beschäftigten nicht vorstellen könnten, die von ihnen zu pflegenden Personen im Stich zu lassen. Es gebe viel Unterstützung für die Forderungen sowohl von den Klienten als auch von den Angehörigen.
Neben den Warnstreiks wird es nächste Woche auch noch andere Aktivitäten der Gewerkschaft geben. So sollen etwa Betriebsversammlungen während der Arbeitszeit stattfinden. Dabei sollen weiter gehende Streiks beschlossen werden, wenn auch in der nächsten Verhandlungsrunde am 18. Februar keine Einigung erzielt werden sollte.
Der Verhandlungsführer der Arbeitgeber, Walter Marschitz, geht ebenfalls davon aus, dass sich die Auswirkungen der Warnstreiks für die Klienten in Grenzen halten werden. Jeden Streik würden auch die jeweiligen Kunden spüren, aber hier werde es nicht so gravierend sein wie etwa beim Bahnstreik. Im Gespräch mit der APA verwies Marschitz auf das „hohe Verantwortungsbewusstsein“ der Beschäftigten gegenüber ihren Klienten und sagte: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein ganzes Pflegeheim lahmgelegt wird.“
Auch im Vorjahr hatten sich beide Seiten erst nach Protesten und Warnstreiks nach sechs Verhandlungsrunden geeinigt. Damals hatte man sich auf eine Gehaltserhöhung von 2,5 Prozent bzw. mindestens 48 Euro sowie auf einen zusätzlichen Urlaubstag für alle Beschäftigten, die fünf Jahre im Betrieb sind, verständigt.
In der vergangenen Nacht sind die Verhandlungen in der vierten Runde nach 16 Stunden an zwei Punkten gescheitert- an der Arbeitszeitverkürzung und am Geld. Bödenauer erklärte, dass es kein Angebot der Arbeitgeber für mehr Freizeit für die vor allem in der Pflege sehr fordernde Tätigkeit der Beschäftigen geben habe. Das Angebot für einen zusätzlichen Urlaubstag als Vorgriff auf die sechste Urlaubswoche für Mitarbeiter ab dem 50. Lebensjahr war für die Gewerkschaft nicht akzeptabel. Bödenauer beharrt auf der Forderung nach einer 35-Stunden-Woche und einer sechsten Urlaubswoche für alle. Über Details dazu sei er verhandlungsbereit.
Marschitz verwies darauf, dass die Verkürzung der Wochenarbeitszeit um drei Stunden einer Lohnerhöhung um zehn Prozent gleichkomme. „Das sind vier bis fünf Lohnrunden.“ Außerdem hält er die 35-Stunden-Woche vor allem für eine alte Gewerkschaftsforderung, die gar nicht so sehr der Wunsch der Mitarbeiter sei. Weil die meisten Teilzeit arbeiten, würden davon nur 30 Prozent der Mitarbeiter profitieren, es würde sich aber finanziell stark auswirken.
Beim Geld haben die Arbeitgeber 2,8 Prozent für Mitarbeiter mit Überzahlung bzw. für jene im alten Gehaltsschema sowie 3,0 Prozent für alle anderen Gehälter angeboten. Bödenauer reicht das nicht: „Wir wollen mehr als drei Prozent haben.“
Die Verhandlungen betreffen rund 100.000 Beschäftigte im privaten Sozial- und Gesundheitsbereich. Es geht dabei vor allem um Pflegekräfte, Mitarbeiter in der Behindertenhilfe, der Senioren- und Jugendhilfe, die in Organisationen wie der SPÖ-nahen Volkshilfe, dem ÖVP-nahen Hilfswerk oder der Lebenshilfe beschäftigt sind. Zu den größten Arbeitgebern zählen auch die Senecura Gruppe mit 81 Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen in Österreich oder in Wien das „Kuratorium Wiener Pensionistenwohnhäuser“. Nicht in die Sozialwirtschaft eingebunden sind die Caritas, die Diakonie und das Rote Kreuz, die jeweils eigene Kollektivvertragsverhandlungen führen.