Kino

“Die Kinder der Toten“: Jelinek stumm verfilmt

K. Copper spürt der österreichischen Seele nach. Nature Theater of Oklahoma.
© Nature Theater of Oklahoma

Berlinale: „Die Kinder der Toten“, ein skurriler Österreich-Beitrag.

Von Stefan May

Berlin –Totentanz im steirischen Dorf, weiße Gesichter, dominante Gebisse mit Zahnlücken. Eine Frau mittleren Alters im Trainingsanzug, die in der Wirtsstube zu den Klängen des Erzherzog-Albrecht-Marsches lasziv zu strippen beginnt. „Die Kinder der Toten“ des Künstlerpaares Kelly Copper und Pavol Liska ist ein skurriler österreichischer Beitrag in der Berlinale-Sektion Forum.

„Die Kinder der Toten“ basiert auf dem 666-Seiten-Roman Elfriede Jelineks. Er spielt in einer kleinen Gemeinde in den steirischen Bergen und setzt bei einem Autounfall an. Eine Frau kommt ums Leben, ersteht aber als Untote auf und ruft andere Menschen der Vergangenheit, darunter Juden wie Nazis aus dem Ort, zurück ins Leben. Gemeinsam feiern sie ausgelassen in der Pension Alpenrose. Die Musik spielt dazu, Blasmusik, meistens Trauermärsche.

Der Streifen, produziert vom österreichischen Regisseur Ulrich Seidl, ist auf Super-8-Film gedreht und vermittelt dadurch mitunter Assoziationen an Urlaubsaufnahmen aus der Kindheit. „Die Kinder der Toten“ bezeichnet sich als Stummfilm, doch das stimmt nicht ganz. Es existiert sehr wohl eine Tonspur, auf der die Musik, aber auch die aktuellen Geräusche, mitunter verfremdet, zu hören sind.

Lediglich die Dialoge und verbindenden Texte werden wie in einem Stummfilm eingeblendet. Dabei entwickeln die Regisseure einen eigenen Humor, wenn sie einblenden: „Die langsamste Verfolgungsjagd in der Geschichte des Kinos. Druckvolle Musik könnte dem Ganzen mehr Dringlichkeit verleihen.“

Beachtlich ist, wie sehr sich die beiden Nicht-Österreicher Copper und Liska, Gründer des Nature Theater of Oklahoma, in die österreichische Seele hineinzudenken vermögen. So intensiv, dass der mit Laiendarstellern im Rahmen des „steirischen herbstes“ produzierte, äußerst schräge Film die meisten Klischees bedient, die von Österreich und speziell vom österreichischen Kino im Umlauf sind.

Und doch gelingt dem Duo Copper/Liska ein Kunststück: Sie schaffen die Umwandlung von Jelineks deftiger Sprache in wogende Bilder, die ohne Gesprochenes auskommen, aber einen ähnlichen Eindruck wie die Worte der Dichterin hinterlassen. (APA)

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