Verhärtete Fronten zwischen Paris und Rom - Ausnahmefall in der EU
Paris/Rom/EU-weit (APA/dpa) - Spannungen zwischen Italien und Frankreich gibt es immer wieder, doch nun sind die Fronten verhärtet. Den Tief...
Paris/Rom/EU-weit (APA/dpa) - Spannungen zwischen Italien und Frankreich gibt es immer wieder, doch nun sind die Fronten verhärtet. Den Tiefpunkt in den Beziehungen markierte der Rückruf des französischen Botschafter aus Rom, für den der französische Regierungssprecher Benjamin Griveaux am Freitag den unangemeldeten Besuch des italienischen Vizepremiers Luigi Di Maio bei Aktivisten der „Gelbwesten“ verantwortlich machte.
Diplomatische Krisen wie diese sind zwischen EU-Partnerländer selten. 2017 rief Ungarn etwa seinen Botschafter aus den Niederlanden zurück, weil der damals scheidende niederländische Botschafter in Budapest harsche Kritik an der rechtsnationalen Regierung geübt hatte. 2016 kam es in der Flüchtlingskrise zum Eklat zwischen Griechenland und Österreich. Dass Frankreich einen Botschafter aus einem EU-Staat zurückbeordert, ist nach Kenntnis französischer Diplomaten eine Premiere.
Für das Vorgehen des Außenministeriums gibt es in Frankreich auch Verständnis. „Die Tatsache, dass die Initiative aus Frankreich kam, hat mich überrascht, und man mag ein wenig überreagiert haben, aber die Fakten sind ernst, daher eine so außergewöhnliche Maßnahme innerhalb der Europäischen Union“, sagte Yves Aubin de La Messuziere, ehemaliger Botschafter in Rom, der Zeitung „Le Monde“.
Die diplomatische Krise spielt sich zwischen zwei Gründungsländern der Europäischen Union ab und wird deshalb mit Besorgnis verfolgt. Neben Deutschland sind Italien und Frankreich aus Sicht vieler entscheidend für die Zukunft Europas, auch wenn es schon vor Antritt der populistischen Regierung immer wieder Spannungen zwischen Rom und Paris gab. „Italien und Frankreich sind Nachbarn, die nie versucht haben, sich zu verstehen“, schreibt „La Repubblica“.
Die „Gelbwesten“-Protestbewegung hat den französischen Präsidenten Emmanuel Macron in die schwerste Krise seiner bisherigen Amtszeit gestürzt. In Italien gibt man sich dennoch überzeugt, mit dem Besuch keinen Fehler gemacht zu haben. Di Maio bezeichnete das Treffen als „vollkommen legitim“. „Ich bin Europäer. Und sich in einem Europa ohne Grenzen zu befinden, bedeutet auch Freiheit für die politischen Beziehungen, nicht nur für den Waren- und Personenverkehr“, sagte er der italienischen Tageszeitung „Il Messaggero“.
Die populistische Regierung aus rechter Lega und europakritischer Fünf-Sterne-Bewegung in Rom provoziert Macron immer wieder. Der EU-Haushalt oder die Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze sind nur Beispiele einer langen Liste an Streitpunkten. Die jüngsten Angriffe hätten zu der aktuellen diplomatische Krise beigetragen, heißt es aus diplomatischen Kreisen in Paris.
Macron hatte sich persönlich bisher aus dem Konflikt weitgehend herausgehalten. Seine Entscheidung wird in Frankreich nun auch kritisch gesehen, habe sie den Konflikt doch nur befeuert. Generell würden seine Äußerungen weniger Ratschlägen als Lektionen ähneln, schreibt die Tageszeitung „L‘Alsace“. Der Präsident hatte jüngst erklärt, er wolle die Angriffe aus Italien gar nicht erst kommentieren. In Italien wird das als Arroganz aufgefasst.
Die italienischen und französischen Arbeitgeberverbände, Confindustria und Medef, appellierten an Macron und Italiens Regierungschef Giuseppe Conte, einen konstruktiven Dialog zu führen. Durch den Konflikt könne der italienische Export „enormen“ Schaden nehmen, warnte Confindustria-Präsident Vincenzo Boccia in der Zeitung „La Stampa“. Nach Deutschland ist Frankreich der wichtigste Wirtschaftspartner Italiens. Die Regierungsparteien hätten eine Grenze überschritten. „Sie haben noch nicht verstanden, dass sie an der Regierung sind und dass (die Zeiten in der) Opposition vorbei sind“, sagte Boccia.