1931-2019

Tomi Ungerer ist tot: Scharfzüngiger Karikaturist mit Hang zur Erotik

Der international bekannte Künstler starb in der Nacht zu Samstag im Alter von 87 Jahren im Haus seiner Tochter in Irland. Bekannt geworden ist der Elsässer vor allem mit seinen Kinderbüchern wie die „Die drei Räuber“.

Straßburg – Eine Kunstkennerin hat für Tomi Ungerer den Titel „Picasso der Karikatur“ geprägt. Mit dem großen Spanier verband den elsässischen Zeichner, Karikaturisten und Buchautor ein Hang zur Erotik und eine unermüdliche Schaffenskraft. Jetzt ist Tomi Ungerer im Haus seiner Tochter in Irland mit 87 Jahren gestorben. Doch sein Wesen lebt weiter in unzähligen Zeichnungen und Illustrationen.

Der Uhrmacher-Sohn Tomi Ungerer, der als Jean-Thomas am 28. November 1931 in Straßburg geboren wurde, hat mehr als 150 Bücher geschrieben und illustriert und etwa 40.000 Zeichnungen, über 300 Plakate, Dutzende Ölbilder, Lithographien und Skulpturen geschaffen. Ungerer gehörte zu den wenigen Künstlern in Frankreich, die zu Lebzeiten ein eigenes Museum erhalten haben. Seit 2007 gibt es in Straßburg das Tomi-Ungerer-Museum.

Politische Zeichnungen

Bekannt geworden ist der Elsässer vor allem mit seinen Kinderbüchern wie die „Die drei Räuber“. Im deutschen Sprachraum ist „Das große Liederbuch“ – eine illustrierte Sammlung von Volks- und Kinderliedern – seit Jahren ein Verkaufsschlager. Dennoch sagte Ungerer: „Die Kinderbücher waren für mich immer so eine Art von Nebengeschäft, für meinen Spaß.“

Einen großen Teil seines Werkes machen denn auch politische Zeichnungen aus. Während seiner Zeit in den USA in den 1950er und 1960er-Jahren kritisierte Ungerer mit seinen Karikaturen den Vietnamkrieg und die sogenannte Rassentrennung. Zurück in Europa – nach Jahrzehnten in New York und Kanada lebte er seit 1976 mit seiner dritten Frau in Irland – setzte er sich für die deutsch-französische Freundschaft ein und bekam dafür das Bundesverdienstkreuz.

Als Elsässer lernte Ungerer früh neben Französisch auch Deutsch und bald auch den hiesigen Dialekt – mit den „Straßenjungen“, wie er selbst sagte. Ein Vaterland habe er nie gehabt. „Das Wort ist mir total unheimlich. (...) Für ein Vaterland muss man schon ein Patriot sein. Aber ich kann nicht Patriot sein für die Franzosen und die Deutschen.“ Allein für Europa, das schon.

Kamasutra der Frösche

Ungerers Werk ist geprägt vom Spiel mit der Sprache. Er zitierte, entwickelte weiter. Das Buch über seine Jahre in Kanada trägt angelehnt an das Lied „Heute hier, morgen dort“ den Titel „Heute hier, morgen fort“. Aus dem altindischen Lehrbuch der Liebeskunst machte er „Das Kamasutra der Frösche“ – in Deutschland sein erfolgreichstes Buch für Erwachsene.

Lange wurden seine Erotik-Zeichnungen als zu provozierend empfunden, als pornografisch und sexistisch. Dazu sagte der Künstler: „Ich bin ein Aufzeichner. Meine erotischen Zeichnungen sind reine Satire. Ich will entlarven, was für eine Hölle es sein kann, wenn sich die Menschen vom Sex abhängig machen.“ In seinem Straßburger Museum hängen die erotischen Zeichnungen nach wie vor im Untergeschoß.

Mit seinen Späßen hat Ungerer auch vor dem Tod nicht halt gemacht. Bei seiner Beerdigung wolle er dabei sein, sagte er in einem Interview kurz vor seinem 85. Geburtstag. Stirnrunzelnd. „Im Sarg!“, rief er schließlich mit einem breiten Grinsen auf den Lippen, als sei damit nun alles klar. „Na, wenn man explodiert, dann hat man keinen Sarg.“

„Man kommt unter die Erde“

Über Scherze wie diesen kann sicherlich nicht jeder lachen. Ungerer war das egal: „Ich bin makaber.“ Sein Humor, der sei eben schwarz. „Die anderen Farben kommen nachher.“ Tatsächlich ist sein Werk häufig auch sehr bunt und fröhlich.

Er selbst freute sich ganz besonders über ein Gebäude für Kinder, das er entworfen hatte: „Wenn man mich fragt, welches Werk hat mir die größte Freude beigebracht, dann würde ich sagen, es ist der Katzenkindergarten in Karlsruhe.“ Das Gebäude hat von außen die Form einer Katze: Die Augen sind zwei kreisrunde Fenster, unter der Nase mit dicken Metallschnurrhaaren geht es durchs Katzenmaul ins Innere. Drinnen ist der Katzenschwanz eine Rutsche.

Zum Abschied sagte Ungerer bei dem dpa-Interview: „Wir sehen uns spätestens bei meiner Beerdigung wieder“, und lachte, den nächsten Wortwitz schon auf den Lippen. „Wissen Sie, eine Beerdigung ist auch ein Unternehmen – verstehen Sie?“ Kunstpause. „Man kommt „unter“ die Erde.“ (APA/AFP)

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