Missbrauch in Heim

Martinsbühel: Verzicht auf Verjährung statt Kommission

Im ehemaligen Mädchenheim Martinsbühel wurden viele Mädchen von den Nonnen misshandelt und missbraucht.
© Vanessa Rachle / TT

Tirols SPÖ-Chef Dornauer kann nicht verstehen, warum jetzt eine Kommission eingesetzt wird. „Man weiß eigentlich alles darüber, welche physische und psychische Gewalt den Mädchen dort widerfahren ist.“ Er fordert stattdessen einen Verzicht auf Verjährung.

Innsbruck –Die Leidensgeschichte vieler Mädchen im ehemaligen Erziehungsheim Martinsbühel in Zirl reißt viele Wunden auf. Auch politisch, obwohl die Tiroler Landesregierung jetzt eine Dreierkommission eingesetzt hat. Aufgabe der Expertengruppe soll es sein, die bereits vorliegenden Informationen, Erkenntnisse und Ergebnisse zusammenzutragen, zu sichten und vor allem hinsichtlich des Benediktinerinnen-Ordens zu ergänzen. In Martinsbühel hat es u. a. die „schlimmste Form sexuellen Missbrauchs“ gegeben. Im Ergebnis sollen durch die Kommission eine Gesamtschau sämtlicher Erkenntnisse und eine Bewertung im historischen Kontext sowie weiterführende Empfehlungen zur Prävention und Verhinderung von Missbrauchsfällen erfolgen.

Tirols SPÖ-Chef LA Georg Dornauer kann nicht verstehen, warum jetzt eine Kommission eingesetzt wird. „Man weiß eigentlich alles darüber, welche physische und psychische Gewalt den Mädchen dort widerfahren ist“, betont Dornauer. Das sei bereits ausführlich in Gerichtsverfahren dokumentiert. „Fakt ist, das Land hat seine Aufsichtspflicht in Martinsbühel verletzt.“

Einmal mehr bringt Dornauer den Verjährungsverzicht zur Sprache. Bei Verfahren, die Heimopfer angestrengt haben, hat das Land bisher nicht auf die so genannte Einrede der Verjährung verzichtet. Hier geht es darum, dass unabhängige Gerichte die Frage prüfen können, ob das Land für allfällige Schadenersatzansprüche und Schmerzensgelder eine Haftung übernehmen müsse oder nicht. „Der Verjährungsverzicht in Verfahren wäre ein wichtiger Schritt“, sagt Dornauer an die Adresse von LH Günther Platter (VP).

Die Benediktiner werden übrigens nicht in der vom Land installierten Kommission vertreten sein. Noch in der Vorwoche hatte sich der Erzabt der Benediktinerabtei St. Peter in Salzburg, Korbinian Birnbacher, für eine „seriöse Aufarbeitung“ der Vorfälle ausgesprochen. „Die Erzabtei St. Peter als Eigentümerin der Liegenschaft Martinsbühel ist zwar nicht unmittelbar für die schrecklichen Dinge, die im dortigen Mädchenheim mit angeschlossener Sonderschule vorgefallen sind, verantwortlich zu machen, aber ich als Erzabt alles in meiner Macht Stehende tun möchte, damit den Opfern Gerechtigkeit widerfährt.“

Aufgrund widersprüchlicher Aussagen hat das Land jedoch darauf verzichtet, den Orden in die Kommission miteinzubeziehen. (pn)

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