Mit Pauken und Trompeten ins Verderben
Das Album „Gallipoli“ wünscht sich den typischen „Beirut“-Sound zurück. Richtige Sehnsucht entsteht aber nur an einigen wenigen Stellen.
Von Barbara Unterthurner
Innsbruck –Zach Condon war wieder unterwegs. Klar, dass das nur bedeuten konnte, die nächste Beirut-Platte sitzt in den Startlöchern. Und siehe da, seit Anfang Februar liegt sie vor: „Gallipoli“ nennt sich das Werk des US-amerikanischen Songwriters. Und der Titel verrät auch schon, wo genau Condon mal einer Musikkapelle nachgelaufen sein muss, die bei einer Prozession aufposaunte: Dort, im südlichsten Apulien, saugte Condon die bunten Eindrücke in sich auf – auch in Form einer strengen Pizza-und Pasta-Diät, wie er selbst zugibt – und formulierte daraus erste Akkorde und Melodien für seine neuen Songs.
Rund zweieinhalb Jahre sind inzwischen seit Beiruts letztem Streich vergangen; „No no no“ (erstmals erschienen in Condons eigenem Label 4AD) wollte eine Abkehr vom rohen Beirut-Sound sein, auf dem die typischen Folklore-Bläsersätze nur noch von der Backingband kamen. Inzwischen, so betont Condon, hat er die Trompete wieder selbst in der Hand. Und die Ukulele. Und die Farfisa-Orgel. Alles kein neuer Schnickschnack, schon Elton Johns „Crocodile Rock“ soll auf einer elektronischen Farfisa geboren worden sein.
Ja, die Instrumentierung verrät es schon, „Gallipoli“ will back to the roots – zurück zu den eigenen Anfängen. Die liegen in der Mitte der Nullerjahre, der Folk-Rock war gerade unterwegs ins Zentrum der Populärmusik, die großen Erneuerer wie Mumford and Sons wurden eben erst gegründet. Da war Zach Condon mit der LP „Gulak Orkestar“ (2006) und der EP „Elephant Gun“ (2007) bereits vorgeprescht und machte Banjo, Orgel, Bläser und damit Balkan-Sound und orchestrale Folkloremusik salonfähig.
Heute steht das titelgebende „Gallipoli“ des neuen Albums ähnlich singulär da wie einst „Elephant Gun“. Und wie schon damals: Die Bläsersätze brennen sich in das Hirn des Zuhörers und aktivieren dort ein Sehnsuchtszentrum. Man ist schlichtweg ergriffen von so viel Gesülze, den vor Schmalz triefenden Trompetenklängen und Condons ehrlicher Stimme. Und will sofort auch eine Reise antreten: in den Süden Italiens, nach Korfu, oder zumindest zum nächsten Lagerfeuer.
Denn von allen diesen Orten singt Zach Condon auf der aktuellen LP. Wobei ihn das Fernweh wohl in keinem der neuen Songs so maßgeblich geprägt hat wie bei „Gallipoli“ (oder schon vorher bei „Nantes“ oder „Postcards From Italy“). Will heißen: Die übrigen Songs der neuen Platte sind beliebiger. „When I Die“ funktioniert zwar noch als Weichensteller, aber bereits beim dritten Song, „Varieties of Exile“, klingt der Stil bemüht. „I Giardini“ oder „Gauze für Zah“ wollen mit spiritueller Lounge-Atmosphäre ausbrechen. Dass der Sound, der sich für Condon selbst anfühlt wie ein „kathartischer Mix aus altem und neuem Material“, nicht überzeugen kann, wird endgültig bei „On Mainau Island“ klar, das allzu unperfekt klingen will. Es kratzt und knirscht und verrät dabei gleichzeitig, dass es sich nur um inszenierte Authentizität handelt.
Schade, wenn der Songwriter vor lauter Fernweh-Pathetik und Rückbesinnungsleiden auf die guten, leichten Melodien vergisst. (bunt)
Folkpop Beirut: Gallipoli. 4AD/Beggars/Indigo.