Film und TV

“Vice“: Die Macht des zweiten Mannes

Christian Bale ist für seine Darstellung des einstigen US-Vize­präsidenten Dick Cheney für den Oscar als bester Hauptdarsteller nominiert. Den Golden Globe hat er bereits gewonnen.
© Constantin

Nach seiner Europapremiere bei der Berlinale läuft Oscar-Kandidat „Vice“ in der nächsten Woche in Österreichs Kinos an.

Von Marian Wilhelm

Innsbruck –Einen Zwischenstopp vor der Oscar-Nacht am nächsten Sonntag legte Regisseur Adam McKey diese Woche auf dem roten Teppich der Berlinale ein. Mit dabei auch Hauptdarsteller Christian Bale, der sich im Film „Vice“ eindrucksvoll in den ehemaligen US-Vizepräsidenten Dick Cheney verwandelt: Es sei „herrlich, eine Herausforderung zu haben, es schien fast unmöglich. Die Versuchung, komplett zu scheitern, war verlockend“, erklärte Bale bei seinem Berlinale-Auftritt.

Regisseur McKey (politikgeschult als Autor bei „Saturday Night Live“) hat sich mit seinem neuesten Film nicht nur tief ins Herz der amerikanischen Post-Demokratie begeben. Er legt auch die Charakterstudie eines paradigmatischen Machtmenschen vor, die bei allem Sarkasmus durchaus auch tragische Momente hat.

Die Erzählung führt von Cheneys Anfängen unter Richard Nixon bis hinauf zum Gipfel der Bush-­junior-Ära. Das Leben des Dick Cheney ist voll dankbarer Shakespeare-hafter Symbole, vom schwarzen, dann transplantierten Herz bis hin zur den zwei Töchtern, von denen ein­e in seine konservativen Fußstapfen tritt, die ander­e eine Frau liebt.

McKey nimmt diese Geschenke geschickt auf und taucht sie in ein Bad scharfer Ironie. In einer genialen Szene ersetzt er den Dialog zwischen Cheney und seiner Frau durch den aus „Richard III.“. Sein allwissender kritischer Erzähler taucht immer wieder als bärtiger Mann unvermittelt auf und lüftet sein Geheimnis erst gegen Ende des Films. Die Montage ist wild, aber durchdacht. Nie begibt sich der Film in die gefährliche Langeweile eines konventionellen Biopics. „Vice“ ist gewissermaßen die unterhaltsame Variante der viel diskutierten Doku-Spielfilm-Hybride – oder die andere Seite der plakativen Michael-Moore-­Medaille. Die kritische Haltung ist dem Film dabei in jeder Sekunde anzumerken. Diese Methode leitete McKey schon bei seinem Film „The Big Short“ über die Machenschaften der Finanz-Elit­e. Diesmal kann er von konkreten Menschen erzählen. In der Innensicht offenbart sich die moralische Schizophrenie eines Macht-Politikers wie Cheney. Herausgekommen ist eine genial geschnittene, bitterböse Farce, die wohl mehr über die Untiefen des Politischen sagt als so mancher bierernste Polit-Film.