Bühne

Dem Propheten als Mensch erlischt die Morgenröte

Christian Gerhaher als Elias und Kai Rüütel als Engel in Mendelssohns „Elias“ am Theater an der Wien.
© THEATER AN DER WIEN

Sehr stimmig: Starregisseur Calixto Bieito dramatisierte Felix Mendelssohn Bartholdys Oratorium „Elias“ im Theater an der Wien.

Von Stefan Musil

Wien –„Als dann wird euer Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und eure Besserung wird schnell wachsen; und die Herrlichkeit des Herrn wird euch zu sich nehmen.“ Das singt der Chor am Ende von „Elias“. Er verschanzt sich dafür hinter einer Wand von Planken aus Metallgitter. Elias steht davor, getränkt in Benzin. Er hat ein brennendes Feuerzeug in der Hand. Doch nach dem letzten Amen klappt der Prophet das Feuerzeug zu. Licht aus. Er stirbt nicht. Keine Morgenröte, keine Selbstverbrennung. Elias fährt im Theater an der Wien auch nicht auf feurigem Wagen in den Himmel. Und ob ein Messias kommt?

Zwei und eine Viertel Bibelstunden sind zu erleben. Die Sache vom Propheten Elias, der einen Fluch ausstößt, weil König Ahab in Israel Baal anbeten lässt. Daraufhin herrscht Dürre, das Volk leidet. Elias vollbringt Wunder, lässt es regnen und er zweifelt an sich und seinem Glauben. Felix Mendelssohn Bartholdys Oratorium wird hier zum Musikdrama. Das Theater an der Wien hat Erfahrung in solchen Dingen, wie auch der Regisseur Calixto Bieito. Verdis „Requiem“, Bachs „Johannes-Passion“ und Monteverdis „Marienvesper“ hat er bereits szenisch aufbereitet.

Mit dem „Elias“ lieferte Bieito jetzt seine erste Arbeit in Wien ab. Ein assoziativ dichtes Geflecht aus Bildern und Musik, weit ab von jeder Provokation. Ebenso entfernt davon, eine stringente Erzählung aus dem Oratorium zu biegen. In diese Falle tappt Bieto nicht. Mendelssohn hatte sich „beim Elias, einen rechten durch und durch Propheten gedacht, wie wir ihn heutzutage wieder brauchen könnten, stark, eifrig, auch wohl bös’ und zornig und finster“. Und Bieto stellt diesen Propheten auf den Prüfstand, fragt sich, was ein Prophet für Mendelssohn war, für uns heute sein kann: Visionär, Mensch und Menschenversteher, Opportunist, starker Mann?

Christian Gerhaher, der große Liedinterpret, macht diesen Elias beeindruckend und zutiefst menschlich in all seinen Facetten spürbar, rasend, triumphierend, gefährlich, flehend, verzweifelnd, messerscharf in der Diktion. Neben ihm steht der grandios agierende, herrlich singenden Arnold Schoenberg Chor im Zentrum, so wie alle, in heutige Alltagskleidung gesteckt. Bieito scheut auch kein Pathos, generiert tolle Bilder, eindrückliche Szenen, führt den Chor souverän. Der Engel von Kai Rüütel gibt wohltönend Ratschläge, Maria Bengtsson rührt zart mit der um ihren Sohn weinenden Witwe, Maximilian Schmitt, Ann-Beth Solvang und Carolina Lippo ergänzen neben anderen ausgezeichnet diesen stimmigen Wurf. Rebecca Ringst hat dazu installative Räume aus Metallgitter, Licht (Michael Bauer) und Projektionen (Sarah Derendinger) geschaffen, die eine Verdichtung erlauben, die auch Dirigent Jukka-Pekka Saraste und das großartig spielende ORF Radio-Symphonieorchester zu einer packenden und stimmigen Leistung bewegt hat.