EU

Gegen das Mediensystem Orbans: Eine Insel für die freie Presse

Wir haben eine künstliche Insel geschaffen. Um die Insel schwimmen Haie", Szabolcs Vörös (Journalist, Valasz Online).
© Privat

Viktor Orbán hat Ungarns Presse längst unter Kontrolle gebracht. Eine Gruppe von Journalisten setzt dem ein Projekt entgegen.

Von Matthias Sauermann

Innsbruck, Budapest – „Wenn eine Person dafür verantwortlich ist, dann er“, sagt der Journalist Szabolcs Vörös und meint den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, der in den vergangenen Jahren das Mediensystem seines Landes komplett umgekrempelt hat. Diese Strategie sei vor allem auf Orbáns Zeit nach seiner ersten Regierungsperiode zurückzuführen. 2002 wurde seine Partei Fidesz abgewählt – trotz positiven Zeugnisses der meisten Experten, meint Vörös. Orbán gab den Medien die Schuld – und begann deshalb in der Opposition sein eigenes Medienimperium aufzubauen, über das seine politischen Botschaften transportiert werden sollten. Das zeigte Erfolg: 2010 wurde seine Partei mit Zweidrittelmehrheit bestätigt.

Für die Medienlandschaft Ungarns hatte das fatale Auswirkungen: Zahlreiche Zeitungen mussten zuletzt unter Druck schließen, ein Großteil wird nun von der Regierung kontrolliert. „Die Pressefreiheit ist ein Eckpunkt einer demokratischen Gesellschaft“, meint Vörös – und diese sei in Gefahr. Dass viele westliche Beobachter das Mediensystem Ungarns nach journalistischen Standards beurteilten, „ist aber ein Fehler“, meint Vörös. Vielmehr stecke dahinter mittlerweile eine große PR-Maschinerie, die nach dem Gutdünken der Regierung deren politische Positionen wiedergebe. Vörös selbst erlebte beide Seiten. Erst wechselte die Nachrichtenseite Origo den Besitzer und wurde von einem Tag auf den anderen regierungshörig. Vörös wehrte sich dagegen und musste die Seite verlassen. Er wechselte zu einer der größten Wochenzeitungen, Heti Válasz – doch diese musste schließen, als Geldgeber auf Druck den Rückzug antreten mussten. Die Propaganda der regierungstreuen Medien sei jedenfalls effektiv: „Orbán hat keine Wähler, sondern Gläubige“, so Vörös. Für kopierbar hält er das System aber nicht – weil Ungarn als Sprachinsel mit knapp zehn Millionen Einwohnern ein Sonderfall sei.

Er und vier Mitstreiter sagen dem kaputten Mediensystem des Landes nun den Kampf an. Sie gründeten eine Plattform für Qualitätsjournalismus namens Válasz Online. Sie soll ausgewogene Berichte und Exklusivstorys liefern, die sonst keinen Platz finden. Finanzieren wollen sich die Journalisten über Crowdfunding und Spenden von Lesern. Auch, um immun zu sein gegenüber dem Druck, den die Regierung auf Inserenten aufbauen kann. Das Projekt erregt bereits die Aufmerksamkeit des Orban-Systems. So wurden sie in regierungstreuen Medien bereits als „Verräter“ beschimpft.

Angst um die persönliche Sicherheit hat Vörös nicht. „Aber sie können dich ökonomisch fertigmachen“, spricht der Reporter aus Erfahrung. Das Modell des neuen Webportals soll das umgehen. Der Beginn verläuft offenbar vielversprechend, die Gründer können vom Projekt bereits leben. „Wir haben eine künstliche Insel geschaffen. Das ist unsere einzige Chance. Um die Insel schwimmen Haie. Aber es wachsen Pflanzen und wir können uns von den Kokosnüssen ernähren“, beschreibt es Vörös.