Wanderschaft um Gotteslohn
Eine Leidensgeschichte am Wiener Burgtheater: Christian Stückl inszeniert Joseph Roths großen Roman „Hiob“ mit Peter Simonischek in der Hauptrolle.
Von Bernadette Lietzow
Wien –„Ich bin der Rest von Mendel Singer“: Das Zwiegespräch mit der seligen Ehefrau Deborah, verstorben im „tödlichen Vaterland Amerika“, eröffnet den Abend im Zeichen von Joseph Roths 1930 erschienenem Roman „Hiob“, von dessen „gebändigter Einfachheit“ sich unter anderem Stefan Zweig begeistert zeigte.
Gottgefällig lebt dieser Thoralehrer, der jede unglückliche Wendung des Schicksals als große Prüfung seines Glaubens anzunehmen bereit ist, bis ihn diese, seine Denkfigur, fast zerstört.
Der schweren Epilepsie seines jüngsten Sohnes Menuchim wird mit diffuser Hoffnung auf Hilfe von oben begegnet. Der Sohn Jonas flüchtet aus der Enge des russischen Schtetls in den zaristischen Militärdienst, seine Spur verliert sich in den Wirren der Russischen Revolution. Dessen nach Amerika ausgewanderter und dort als Geschäftsmann erfolgreicher Bruder Schemarjah wird den Ersten Weltkrieg nicht überleben. Gattin Deborah, lebenspraktischer und eher dem Diesseits zugewandt, stirbt an gebrochenem Herzen. Die lebenshungrige Tochter Mirjam schließlich, wegen deren Eskapaden mit feschen Kosaken die Emigration über den großen Teich angetreten wird, landet in der Psychiatrie.
Das Leben schenkt Mendel, den es aus der vertrauten Heimat in das Land der ihn restlos überfordernden unbegrenzten Möglichkeiten verschlagen hat, kräftig ein.
Sein Hadern mit Gott resultiert aus einer fast naiv verbohrten Glaubenstreue, bis das Wunder geschieht. Der in Russland zurückgelassene Sohn Menuchim (bemerkenswert: Tino Hillebrand) erscheint – geheilt und zudem als gefeierter Komponist.
Am Burgtheater widmet sich der bayerische Regisseur Christian Stückl dem dichten Stoff, unter Verwendung von Koen Tachelets Bühnenfassung. Er kann mit seiner seltsam verhaltenen Inszenierung die Erwartungen des Publikums nicht einlösen.
Knapp drei Stunden wird sich dieser „Hiob“ dahinschleppen, einige Szenen gelingen prächtig, viele ermüden, die Aufführung bleibt Stückwerk. Allemal beeindruckend gestaltet sich die Bühne von Stefan Hageneier, eine mit wenigen Koffern und Hockern bestückte Art Dünenlandschaft, die sich mittels fabelhafter Lichteffekte (Norbert Joachim) wüstengelb, aschgrau oder Neue-Welt-hell zeigt.
Der Schriftzug „America“ prangt riesengroß über der Szenerie, in der Peter Simonischek seinen Mendel Singer vorstellt. Ausgestattet mit Kaftan und Gebetsbuch ist dieser Mendel ein in sich selbst verlorener und von sich und seiner Weltabgewandtheit überzeugter Zyniker, der wehleidig die verflossene Liebeslust seiner Frau gegenüber beklagt, seiner Deborah (ergreifend: Regina Fritsch) aber nie wirklich zur Seite steht.
Ebenso kann er mit den „gesunden“ Kindern wenig anfangen, wie auch die Regie: Stefanie Dvorak als Mirjam, Christoph Radakovits als Schemarjah und Oleg Tikhomirov (Jonas) wird nur wenig Entfaltungsspielraum zugestanden, sie bleiben Chiffren.
Als Schemarjahs Geschäftspartner Mac darf Tikhomirov dann noch eine eher ärgerliche Cowboy-Klischee-Figur abgeben. Hans Dieter Knebel, Peter Mati´c und Stefan Wieland sind als New Yorker Gemeindemitglieder blasse Stichwortgeber. Musikalisch umrahmt von Tom Wörndls Klezmer-Paraphrasen bleibt dieser „Hiob“ enttäuschend.