Treffen EU-Arabische Liga: Neue „Ära der Zusammenarbeit“ startet
Noch nie dagewesen war ein Gipfel zwischen Staats- und Regierungschefs von EU und Arabischer Liga in dieser Rangordnung – am Montag ging er zu Ende. Man will eine „neue Ära der Zusammenarbeit“ einläuten. Konkrete Ergebnisse wurden nicht verkündet.
Sharm el-Sheikh – Das historische Treffen zwischen Staats-und Regierungschefs der EU und der Arabischen Liga im ägyptischen Sharm el-Sheikh ist wie erwartet ohne konkrete Ergebnisse zu Ende gegangen. Zum Abschluss am Montag betonten beide Seiten jedoch, eine „neue Ära der Zusammenarbeit“ einläuten zu wollen.
„Dieser Gipfel ist erst der Beginn, aber ein guter Beginn“, sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk, der gemeinsam mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi das Treffen leitete, in der abschließenden Pressekonferenz. Die Erwartungen an das Treffen waren nicht besonders groß, vor allem inhaltlich – so waren auch die Themen – Wirtschaftsbeziehungen, Kampf gegen illegale Migration und Terrorismus – eher vage gehalten. Dementsprechend meinte auch EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker zu Beginn des zweitägigen Treffens, dass „der Gipfel als solcher“ schon eine Botschaft an den Rest der Welt sei.
Erstes Treffen in dieser Größenordnung
Tatsächlich ist es das erste Mal überhaupt, dass so hochrangige Vertreter aus beiden Staatengemeinschaften aufeinandertreffen. So kann der Gipfel der EU mit den Ländern der Arabischen Liga (LAS), an dem Vertreter aus knapp 50 Ländern teilnehmen, die insgesamt immerhin zwölf Prozent der Weltbevölkerung vertreten, durchaus als Erfolg verbucht werden. Viel wichtiger als die offizielle Agenda sind bei diesen Großevents ohnehin die bilateralen Gespräche zum Kennenlernen und Netzwerken, die in den Hinterzimmern stattfinden.
Gastgeber Sisi forderte zu Beginn des Gipfels zum gemeinsamen Kampf gegen den weltweiten Terror auf. Dieser habe sich wie eine schädliche Plage verbreitet. Ägypten leidet seit Jahren unter Terror, vor allem im Norden des Sinai ist ein Ableger der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) aktiv. Der Tagungsort des EU-LAS-Gipfels, Sharm el-Sheikh, liegt im Süden des Sinai, am Roten Meer.
Tusk: „Brauchen eine starke Partnerschaft“
Man stehe vor den gleichen Herausforderungen und teile gemeinsame Interessen, sagte auch Tusk. „Unsere Kooperation ist wichtiger denn je, wir brauchen eine starke Partnerschaft“, betonte er. Die EU hat großes Interesse daran, die Region nicht anderen Global Playern wie den USA, China oder Russland zu überlassen.
Trotz aller Zeichen der Annäherung bleiben jedoch große Meinungsverschiedenheiten zwischen beiden Seiten. Vor allem das Thema Menschenrechte gilt als heikel. So beklagen etwa Menschenrechtsorganisationen seit langem die staatliche Repression in Ägypten, wo Sisi mit aller Härte gegen Islamisten und Regierungskritiker vorgeht.
Menschenrechte würden immer „offen und aufrichtig“ angesprochen, versicherten Tusk und die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der Österreich beim Gipfel vertrat, erklärte, dass er das Thema auch bei bilateralen Treffen immer wieder anspreche. Je besser der Kontakt, desto größer auch der Einfluss dahingehend, so der Kanzler. Auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel verteidigte den Dialog mit umstrittenen Regimes: „Wenn man zum Multilateralismus steht, muss man auch den Multilateralismus anwenden – auch wenn es schwierig ist und sich die politischen Systeme unterscheiden“, sagte sie.
Juncker widerspricht Generalsekretär zu Menschenrechten
Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Ahmed Abul Gheit, betonte bei der Abschlusspressekonferenz, dass „nicht einer der Anwesenden“ über die Unzufriedenheit mit der Menschenrechtslage gesprochen habe. EU-Kommissionspräsident Juncker ließ dies nicht unwidersprochen. „Einen Moment“, rief er. „Ich war im Saal. Es stimmt nicht, dass wir nicht über Menschenrechte gesprochen haben“, betonte er.
Vor allem in Sachen Migration gelten einige der Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga, vor allem Nordafrika, als wichtiger Partner für die EU. Ägypten wird immer wieder als Land mit Vorbildfunktion genannt, legen doch von dort aus nur mehr sehr wenige Flüchtlingsboote Richtung Europa ab. Er wünsche sich, so Kurz vor österreichischen Journalisten nach dem Gipfeltreffen, dass sich dieses Modell und die „sehr gute Zusammenarbeit“ mit Ägypten auch auf andere Länder, etwa Libyen, übertrage.
Vor dem Gipfel war spekuliert worden, ob Sisi einen Deal, ähnlich dem Flüchtlingsabkommen der EU mit der Türkei, verhandeln wolle. Konkrete Anzeichen auf ein solches Abkommen mit Ägypten gab es jedoch auch nach dem Treffen nicht. Auch die beim EU-Gipfel im Juni vergangenen Jahres beschlossenen „Ausschiffungs- und Anlandeplattformen“ für Geflüchtete im Mittelmeer sind allem Anschein nach kein Thema mehr. Diese Begriffe würden in Nordafrika „sehr schlecht ankommen“, begründete Kurz. Bis heute hat sich kein Land bereiterklärt, solche Zentren oder Plattformen auf seinem Territorium zu errichten.
Auch Konflikte in arabischer Welt Thema
Neben den drei Hauptthemen – Migration, Terrorismus und Wirtschaft – wurden auch die Konflikte in der arabischen Welt – der Krieg in Syrien, im Jemen und in Libyen oder der Nahost-Konflikt – diskutiert, große Durchbrüche gab es aber auch hier nicht. Hinter den Kulissen war der Brexit wohl das dominierende Thema, bei dem nun eine Verschiebung des Austritts Großbritanniens aus der Union als immer wahrscheinlicheres Szenario gilt.
Während im Vorfeld des Gipfels die Einigung auf eine gemeinsame Erklärung vor allem EU-intern problematisch zu sein schien - Ungarn legte sich bei einem Vorbereitungstreffen in Brüssel wegen einer Formulierung rund um den UNO-Migrationspakt quer - gab es in Sharm el-Sheikh eine Debatte zwischen der arabischen Länder über die Abschlusserklärung. Streitpunkt soll eine Passage zum Iran gewesen sein, bei der Saudi-Arabien, vertreten durch König Salman, eine „klarere“, sprich härtere, Linie forderte. In dem Kommunique konnte die EU schließlich nicht durchsetzen, dass das Wiener Atomabkommen mit dem Iran als Beitrag zur Eindämmung der Weiterverbreitung von Nuklearwaffen erwähnt wird, berichtete die Nachrichtenagentur dpa.
Generell gilt die 1945 gegründete Arabische Liga als Staatenbund, der wenig Einfluss besitzt. Unterschiedliche Interessen der 22 Mitgliedsländer blockieren oder lähmen sie sogar, wie die schwere Krise zwischen dem Königreich Saudi-Arabien und dem Nachbaremirat Katar einmal mehr gezeigt hat.
Das EU-LAS-Gipfelformat wollen die beiden Staatenbünde nichtsdestotrotz im Dreijahresrhythmus weiterführen. So soll der nächste Gipfel 2022 in Brüssel stattfinden. (APA)