Ex-MI6-Chef Sawers: „Je härter der Brexit, desto größer der Schaden“
Der ehemalige britische Geheimdienstchef John Sawers sieht durch den Brexit die Sicherheit bedroht – und auch die Wirtschaft.
Wien – Nach Einschätzung des früheren Chefs des britischen Geheimdienstes MI6 und Ex-Diplomaten John Sawers ist der Brexit eine „schlechte Entwicklung für Großbritannien und für Europa“, wie er am Dienstagabend im Gespräch mit der APA in Wien sagte. „Offen gesagt, je härter der Brexit, desto größer der Schaden“ – für die Sicherheit ebenso wie für die Wirtschaft.
„Ich denke, der Brexit ist ein negativer Schritt. Er kann gemanagt werden, bei geschickter Führung auf beiden Seiten, von der wir zuletzt nicht so viel gesehen haben. Aber ich denke, es ist wirklich wichtig sowohl für den europäischen Kontinent als auch für das Vereinigte Königreich selbst, dass die Sicherheitszusammenarbeit auf dem derzeitigen Niveau beibehalten wird.“
„Niemand hat Interesse an hartem Brexit“
Sawers, der den britischen Auslandsgeheimdienst von 2009 bis 2014 leitete und davor Botschafter seines Landes bei der UNO war, ist optimistisch, dass das auch gelingen kann. „Ich denke, Europa ist eine Gemeinschaft gleichgesinnter Länder mit in hohem Maße überlappenden Interessen. Niemand hat ein Interesse an einem harten Brexit. Er wäre schädlich für Großbritannien, schädlich für Frankreich und die Niederlande, für Deutschland und vor allem für Irland und würde die Beziehung auf Jahre hinaus vergiften. Ich glaube, jeder will das vermeiden. Ich bin deshalb hoffnungsvoll, dass wir einen Weg da durch finden werden, um den Brexit-Prozess zu managen.“
Auf die Frage nach den möglichen Folgen des Brexit für Nordirland betonte Sawers, der 1999 bis 2001 außenpolitischer Berater des damaligen britischen Premierministers Tony Blair war: „Niemand will zur Gewalt zurückkehren, und die britische Regierung hat ganz klar gesagt, dass sie zwischen der Republik Irland und Nordirland keine harte Grenze wiedereinführen will.“ Die wirkliche Sorge in Brüssel und Dublin sei, dass man am Ende ein Arrangement habe - „speziell einen harten Brexit“ -, wo Großbritannien „ganz zufrieden damit wäre, eine offene Grenze zwischen dem Vereinigten Königreich und Irland zu belassen, aber Brüssel insistiert, dass diese Grenze kontrolliert wird. Und dann wäre die Republik Irland dafür verantwortlich, irgendeine Form von Grenzkontrolle zu etablieren. Und das ist ein Albtraum für Brüssel und für Dublin, weshalb sie so eine harte Linie in dieser Frage verfolgen, was in Großbritannien nicht völlig verstanden wird.“
Harter Brexit würde zu vereintem Irland führen
Auch hinsichtlich der irisch-nordirischen Grenze glaubt Sawers jedoch, dass es letztlich eine Lösung geben wird. „Die interessante längerfristige Frage ist, ob der Brexit-Prozess im Laufe der Zeit dazu führen wird, dass die Menschen in Nordirland das Gefühl haben, dass ihre Interessen mehr mit der Republik Irland im Einklang sind als mit Großbritannien. Und ich glaube, ein harter Brexit würde in der Tat binnen ein paar Jahrzehnten zu einem Vereinigten Irland führen.“
Sawers, der in Wien an einer Podiumsdiskussion am Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) teilnahm und von sich selbst sagt, dass er „überhaupt kein großer Fan“ des Brexit ist, hält es für „sehr wahrscheinlich“, dass der britische EU-Austritt wirklich passieren wird. „Ich glaube, wenn das Parlament dem derzeitigen Deal nicht zustimmt und es einen langen Aufschub gibt, dann könnte der Brexit-Prozess ins Wanken geraten.“ Seine Hoffnung darauf setzen würde er allerdings nicht. „Ich denke, das wäre das beste Ergebnis für Großbritannien, aber ich glaube nicht, dass es wahrscheinlich ist.“ (APA)