Das Damoklesschwert des Brexits über der Formel 1
Harter oder weicher Brexit: Auch das Milliardengeschäft Formel 1 steuert unruhigen Zeiten entgegen. Während Mercedes-Motorsportchef Wolff warnt, sieht es das Haas-Teamchef Steiner entspannt(er).
Von Daniel Suckert
Montmelo, London, Innsbruck – Während gestern der erste der vier letzten Testtage in Spanien über die Bühne ging, bereitet der milliardenschweren Rennserie Formel 1 ein anderes Thema große Bauchschmerzen: der Brexit und seine noch nicht absehbaren Auswirkungen. Ein harter EU-Austritt könnte sieben der zehn Rennställe vor große Probleme stellen.
Das Mutterland des Motorsports mag Frankreich sein. Der französische Große Preis ist der älteste der PS-Geschichte und wurde 1906 zum ersten Mal ausgetragen – die Königsklasse fuhr erstmals am 1. Juli 1950 im Kreis.
Zehn Milliarden Euro Umsatz auf der Insel
Trotzdem stellt Großbritannien den „place to be“ dar, was das Know-how und die Sponsoren betrifft. Bis zu zehn Milliarden Euro werden auf der britischen Insel mit dem PS-Geschäft umgesetzt. Darum verwundert es auch nicht, dass sieben (Mercedes, Red Bull, Renault, Racing Point, McLaren, Williams, Haas) der zehn Teams ihre Zelte auf der Insel aufgeschlagen haben. Nur Ferrari, Toro Rosso (beide ITA) und Alfa Romeo (SUI) haben nicht den Weg nach Großbritannien eingeschlagen.
Über Jahrzehnte hinweg hat sich ein so genanntes „Motorsport Valley“ – von Swindon in Südengland über Oxford und Northamptonshire bis nach Cambridge – gebildet, in dem Tausende Motorsport-Unternehmen angesiedelt sind.
Was die Motorsport-Unternehmen und die Formel-1-Teams derzeit eint, ist die Sorge vor dem Brexit. Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff warnte am Rande der Testfahrten eindringlich: „Es ist sogar die Mutter aller Probleme.“
Vor allem eine Frage quält die in Großbritannien angesiedelten Formel-1-Unternehmen: Was passiert mit den vielen Ingenieuren und Mechanikern aus EU-Staaten, die von heute auf morgen um ihr Bleiberecht inklusive Arbeitserlaubnis bangen könnten? Beim Stuttgarter Autohersteller beispielsweise sind es 26 verschiedene Nationen, aus denen sich das Personal zusammensetzt. Beim krisengeschüttelten McLaren sind es 23 Nationen.
Zeitfresser stören Prozesse
In weiterer Folge geht es auch um die Zölle, die Grenzkontrollen und die damit verbundene Bürokratie. Zeitfresser, die Gift für die Schnelllebigkeit des teuersten Kreisverkehrs darstellen würden. Wolff: „Wir haben etliche Teile, die erst in letzter Minute fertig und sofort verschickt werden müssen. Was wir absolut nicht brauchen können, sind große Unterbrechungen, die den Prozess stören.“
Ein Rattenschwanz, der sich, laut Wolff, sogar auf den Kampf um die Weltmeister-Kronen auswirken könnte. Exakt dann, wenn die Lieferungen einen Zeitverlust bedeuten. Schließlich bewegt sich der Formel-1-Tross mit mehreren Tonnen Fracht zu 21 Grands Prix auf fünf Kontinenten und muss dabei ständig Grenzen überqueren.
In dem Punkt sieht der 47-jährige Wiener den direkten WM-Kontrahenten Ferrari im Fall der Fälle im Vorteil. „Ein ungeregelter Brexit hätte enorme Auswirkungen auf unseren Rennbetrieb und darauf, wie wir unser Auto entwickeln und einsatzbereit machen. Es ist ein Albtraumszenario, das ich mir nicht vorstellen will“, fasste der dreifache Familienvater zusammen.
Steiner: „Packen einfach unsere Sachen“
Wesentlich entspannter sieht das Ganze der Südtiroler Günther Steiner, seines Zeichens Teamchef von Haas: „Wir bleiben wachsam und schauen, ob wir reagieren müssen. Aber wir geben kein Geld dafür aus. Wir sind ein kleines Team. Wenn ein Rennstall schnell umziehen kann, dann sind wir es. Wir packen einfach unsere Sachen und ziehen in ein anderes Land.“
Der amerikanische Rennstall tut sich in dem Punkt leichter, da der Hauptsitz in den USA liegt und von Großbritannien „nur“ zusätzlich operiert wird. Steiner: „Noch ist nichts entschieden. Und wir fällen keine irrationalen Entscheidungen.“ Trotzdem räumte Steiner ein, dass „die großen Teams sehr viel umfangreichere Investitionen als wir getätigt haben. Wir werden also erst einmal abwarten und dann schauen, wie wir darauf reagieren.“
Der Chef des britischen Motorsportverbands, David Richards, sprach in puncto „harter“ Brexit Klartext: „Wir sollten eigentlich stolz darauf sein, die besten Formel-1-Teams und Weltmeister hier zu haben. Und jetzt machen wir ihnen allen das Leben schwer.“