Vier-Punkte-Plan gegen Kuh-Urteil festgelegt
Interessenvertreter und Politik haben gestern beschlossen, einen umfassenden Versicherungsschutz einzurichten. Sowohl Bundes- als auch Landesgesetz sollen nachgeschärft werden. Verbote sind vom Tisch.
Von Benedikt Mair
Innsbruck – Die große Überraschung blieb aus. Dennoch dürften die Ergebnisse des runden Tisches nach dem Urteil zu einem tödlichen Kuhangriff im Pinnistal die Gemüter der Tiroler Bauern beruhigen. Interessenvertreter und Landesregierung haben gestern vier Maßnahmen festgelegt. Neben einem umfassenden Versicherungsschutz sollen sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene die Gesetze nachgebessert werden. Zusätzlich wurde eine Image- und Aufklärungskampagne in Auftrag gegeben. Auch Verbote – etwa von Hunden im hochalpinen Gelände – wurden gestern diskutiert und mehrheitlich für nicht zielführend befunden.
Mit dem Vier-Punkte-Plan wolle man allen Menschen und insbesondere den Bauern „die Verunsicherung nehmen“, sagte Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP). „Verbunden mit dem Wunsch und der Bitte, dass die Almen auch weiterhin bestoßen werden. Wir wollen Rechtssicherheit, die Schadlosigkeit der Bauern und das Miteinander auf den Almen sicherstellen.“
Als Akutmaßnahme wird die Ausweitung des Versicherungsschutzes dienen. Dieser soll auf der bereits bestehenden Wegeversicherung aufbauen und ausgeweitet werden. „Etwa auf Wiesen und Weiden“, erklärte der Landeshauptmann. Wer die laut Platter „überschaubaren“ Kosten tragen soll, ist derzeit noch offen.
Der Präsident der Landwirtschaftskammer (LK), Josef Hechenberger, hat anklingen lassen, dass Vertreter aus dem Tourismussektor ihre Bereitschaft zu einer Mitfinanzierung der Versicherung angekündigt hätten. Hechenberger begrüßte die Entscheidung der Landesregierung und betonte, dass hiermit „ein Versicherungsschirm über alle Almbauern gespannt werde“. Bereits bestehende Versicherungsmodelle sollen angepasst und zusammengeführt werden, um somit allen Landwirten denselben Schutz zukommen zu lassen.
Während die Ausweitung des Versicherungsschutzes noch vor dem anstehenden Almsommer greifen soll, sind die angekündigten Gesetzesänderungen als mittel- bzw. langfristige Lösung angedacht. Bereits im Vorfeld des Kuh-Gipfels sprach sich der Landwirtschaftssprecher der Tiroler Grünen, Georg Kaltschmid, für eine „Konkretisierung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Almwirtschaft“ aus. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat wenig später bekanntgegeben, dass er die zuständigen Bundesministerien damit beauftragt habe. Es soll Nachschärfungen im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch geben. Auch im Tiroler Almschutzgesetz wurden Anpassungen angekündigt. „Nachdem die Eigenverantwortung in der Rechtssprechung abgenommen hat, müssen wir da nachbessern“, sagte dazu Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler (ÖVP) – mehr zu den Gesetzesanpassungen im Artikel rechts.
Das Thema Eigenverantwortung solle auch bei der anstehenden Informationsoffensive in den Mittelpunkt gerückt werden. Der Landeshauptmann kündigte an, dass diese von der Tirol Holding koordiniert wird. Platter: „Wir wollen aufklären, aber auch die Bedeutung der Almwirtschaft dementsprechend vermarkten.“
LK-Präsident Hechenberger signalisierte ferner, dass der in erster Instanz zu einer hohen Schadenersatz-Summe verurteilte Stubaier Bauer „die volle Unterstützung“ der Kammer habe. Sowohl rechtliche als auch finanzielle Hilfe – „für den Fall, dass weitere Gutachten notwendig werden“ – sicherte er zu.
Gesetzesnovelle soll Bauern vor Klagen schützen
Innsbruck, Wien – Das Urteil zur Kuhattacke im Pinnistal hat schon vor Rechtskraft ungeahnte juristische Auswirkungen. So ergab ein Gespräch zwischen Landeshauptmann Günther Platter und Bundeskanzler Sebastian Kurz gestern, dass zum Schutz der Almbauern das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) von 1811 geändert werde. Jetzt soll es im Zuge einer Novelle zu einem Haftungsprivileg bei Nutztierhaltung kommen.
Nach TT-Recherchen soll sich die Tierhalterhaftung für Landwirte (§1320 ABGB) künftig an der Haftung für Wegerhalter orientieren. Hierbei werden die Halter von Wegen von der Haftung befreit, wenn sie nicht grob fahrlässig handeln. Zudem können sich Verunfallte nicht auf Haftungen berufen, wenn sie einen Weg widmungswidrig oder entgegen von Verbotszeichen oder Abschrankungen benutzt hatten.
Hans Gföller, Rechtsreferent der Tiroler Landwirtschaftskammer, bestätigt die Stoßrichtung der ABGB-Novelle: „Der Gesetzgeber wird die Landwirte wohl künftig mit einem Haftungsprivileg bei landwirtschaftlicher Nutztierhaltung schützen. Dabei entfällt normale Fahrlässigkeit und muss im Zuge einer Beweislastumkehr der Kläger allfällige Versäumnisse beweisen“, so Jurist Gföller zur TT. Neben dem Justizministerium wird aber auch die Landesregierung legistisch aktiv. So soll das Tiroler Almschutzgesetz über Verhaltensregeln in Richtung Eigenverantwortung geändert werden. (fell)