Grasser-Prozess - Zeuge: Zweite Bieterrunde ohne Kommissionssitzung

Wien (APA) - Am 79. Tag im Prozess gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und andere hat heute ein Zeuge ausgesagt, dass es für den Besc...

Wien (APA) - Am 79. Tag im Prozess gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und andere hat heute ein Zeuge ausgesagt, dass es für den Beschluss einer zweiten Bieterrunde für den Verkauf der Bundeswohnungen formal keine Kommissionssitzung gab. Bereits gestern hatten Zeugen vermeldet, dass es zwar ein Treffen gab, aber keinen formalen Beschluss.

Es sei lediglich ein zweites Verfahren vorgeschlagen worden, von wem, dazu gibt es unterschiedliche Aussagen. Denn im Gegensatz zu den anderen Sitzungen der Auswahlkommission gibt es zu jenem Treffen kein Protokoll. Auch divergieren die Angaben der Zeugen zu den Anwesenden. Nachdem nicht protokolliert worden ist, gibt es dazu kein Schriftstück, auch wurde nirgends festgehalten, ob überhaupt die Beschlussstärke erreicht wurde.

Der heute befragte Zeuge Josef Mantler, ein ehemaliger Abteilungsleiter im Finanzministerium, war für die Bundeswohnungen zuständig und saß sowohl im Lenkungsausschuss als auch in der Auswahlkommission, die die Vergabe beratend begleiteten. Das Treffen am 7. Juni 2004, wo eine zweite Bieterrunde beschlossen wurde, sei sicher keine Kommissionssitzung gewesen, sagte er heute. Die Vertreter von Lehman Brothers hätten die Angebote der Bieter präsentiert. Anschließend hatte er einen Aktenvermerk verfasst, in dem von einem Zinsrisiko gesprochen wird, das bei einem Bieter Abschläge verursacht habe. Weiter heißt es: „In Abstimmung mit dem HBM (Grasser, Anm.) wurde daher entschieden, dieses Steigerungspotenzial in Form einer weiteren Verhandlungsrunde zu nutzen.“ Die Auswahlkommission hatte den Auftrag, die Privatisierung zu begleiten und bei wichtigen Schritten Beschlüsse zu fällen, die dem Finanzminister als Empfehlungen dargelegt wurden. Bei der zweiten Runde lag dann die Immofinanz mit dem Österreich-Konsortium knapp vor der CA Immo, die in der ersten Runde vorne gelegen war.

Grasser nutzte heute die Möglichkeit zu einer Stellungnahme zu den Zeugenaussagen dazu, um hervorzustreichen dass die Zeugen seine Version stützen würden. Er habe durch das zweite Bieterverfahren für die Republik 40 Mio. Euro zusätzlich erlöst. Der Ratschlag für eine zweite Bieterrunde sei von den Beratern von Lehman Brothers und von seinen Beamten gekommen. Auf die Aussage des Zeugen zuvor, dass gar kein Kommissionstreffen im eigentlichen Sinn stattgefunden habe, ging Grasser nicht ein.

Im Zuge der Zeugeneinvernahme erteilte Richterin Hohenecker dem Anwalt von Grasser, Manfred Ainedter, eine Rüge: Er habe die Prozessführung als „schwachsinnig“ kommentiert und sie habe das gehört. Der Anwalt solle Kommentare zu ihrer Prozessführung unterlassen.

Für diese Woche sind keine weiteren Prozesstage am Wiener Straflandesgericht angesetzt. Richtig spannend wird es dann nächste Woche, wenn am Dienstag und Mittwoch zwei zentrale Zeugen vor Richterin Hohenecker aussagen werden. Nach den Zeugen aus dem unmittelbaren beruflichen Umfeld von Grasser werden dann noch die damaligen Bautensprecher von ÖVP und FPÖ befragt.