Kino

“Ein königlicher Tausch“: Das Elend der Prinzessinnen

Vereiste Gefühle in Zeiten des Krieges: Die vierjährige Maria Anna Victoria (Juliane Lepoureau) wird am Hof des französischen Königs als Geisel gehalten.
© Thimfilm

Royale Kostümfilme erfreuen sich gerade großer Beliebtheit. Marc Dugain erzählt in „Ein königlicher Tausch“ vom eisigen Alltag des jungen Königs in Versailles.

Von Peter Angerer

Innsbruck –Wegen der seit Jahrhunderten von Päpsten, Kaisern und Königen betriebenen Heiratspolitik sind zwar schmiegsame Bündnisse entstanden, doch auf den Schlachtfeldern Europas stehen sich dafür Verwandte gegenüber.

Anfang des 18. Jahrhunderts hat der Spanische Erbfolgekrieg bereits zwei Millionen Opfer gekostet, was den Herrschern nicht gerade den Schlaf raubt. Unruhe beginnt sich erst auszubreiten, wenn sich die Staatskasse leert und der Adel angesichts neuer Steuern patriotische Gesinnung vermissen lässt.

Davon erzählt etwa die britische Historienfarce „The Favourit­e“. Gleichsam um die zeitliche und geografische Ecke suchen in Marc Dugains „Ein königlicher Tausch“ (nach dem Roman und dem Drehbuch von Chantal Thomas) die Kriegsgegner Frankreich und Spanien nach einer kostengünstigen Lösung für ihre ruinierten Haushalte.

In Spanien regiert 1721 Philippe V. (Lambert Wilson), der sich in depressiven Momenten mit einer Peitsche Linderung verschafft. Dem Volk wird zur Ablenkung die Inquisition geboten. Folter und Hinrichtung sind öffentliche Belustigungen, um Hunger und Elend zu vergessen.

In Frankreich führt Philippe d’Orléans (Olivier Gourmet) die Staatsgeschäfte für seinen elfjährigen Neffen Louis XV. (Igor van Dessel), nachdem Eltern und Großeltern des Buben einer Masern­epidemie zum Opfer gefallen sind. Um den Haushalt zu schonen, offeriert der Herzog von Orléans dem spanischen König seine 12-jährige Tochter Louise Elisabeth (Anamaria Vartolomei), ohnehin ein widerspenstiges Mädchen, zur Vermählung mit dessen Sohn Louis (Kacey Mottet-Klein) und erwartet sich im Gegenzug die vierjährige Mari­a Anna Victoria (Juliane Lepoureau) als Ehefrau für den König.

Wie Geiseln werden die beiden Mädchen an der Grenze zwischen Frankreich und Spanien ausgetauscht, außerdem verlangt das Zeremoniell das Abstreifen sämtlicher Erinnerungen an das Herkunftsland. Während Louise Elisabeth sofort mit dynastischen Verpflichtungen konfrontiert wird, darf die kleine Spanierin in Versailles noch mit einer Puppe spielen.

Zwischen Intrigen und Verschwörungen der höfischen Gesellschaft begegnet das Kind nur zwei freundlichen Menschen. Die wunderbare Andréa Ferréol spielt Liselotte von der Pfalz, die das Leid junger Prinzessinnen an fremden Höfen aus eigener schmerzvoller Erfahrung kennt.

Die Szenen mit der alten Dame und dem kleinen Mädchen spielen sich im Freien ab und liefern so den einzigen Sonnenstrahl in einer kalten, oft nach Gemälden aussehenden, mit kostbaren Kostümen und Perücken ausgestatteten Welt, in der Gefühle nichts zählen, weil sich alles der großen Idee von Dynastie und Macht zu unterwerfen hat.

Wegen dieser Idee hat auch Louis XV. keine Verwendung mehr für seine Verlobte. Als er 13-jährig den Thron besteigt, Krankheiten wie Masern und Pocken drohen, wird für ihn eine Frau im gebärfähigen Alter gesucht und die kleine Prinzessin zurückgegeben.

Nach dem Affront verlangt die spanische Königin nach drakonischer Bestrafung und der Ausweisung sämtlicher Franzosen. Wie so oft bei populistischen Vorhaben ist auch dieser Plan nicht zu Ende gedacht, denn, sagt Philippe V., „dann müsste ich als Erster gehen!“. Der König ist schließlich ein Enkel des Sonnenkönigs und damit der Großcousin von Louis XV. Aber der Stachel des Zweifels ist gesetzt.

Trotz dieser Pointe ist Marc Dugains „Ein königlicher Tausch“ ein den handelnden Personen gemäßer eisiger Film, der jede Empathie im Ansatz erstickt und uns Zuschauer bei aller Klugheit nur mit frostiger Hand durch die kostbaren Tableaus führt.