Niko Alm: „Politik versucht Immunisierung über Religion“
Niko Alm tritt seit Langem für eine echte Trennung von Religion und Staat ein. Die neue Karfreitagsregelung findet seine Zustimmung.
Carmen Baumgartner-Pötz
Wien –Was früher ein hoher kirchlicher Feiertag war, ist es nun nicht mehr, stattdessen gibt es mit dem „persönlichen Feiertag“ vermutlich den ersten Anwärter auf das Unwort des Jahres. Mit der Änderung der Karfreitagsregelung hat die Bundesregierung eine Entscheidung getroffen, die diese Woche für große Aufregung und Debatten gesorgt hat – vor allem in der evangelischen Kirche und bei Arbeitsrechtlern. Hintergrund war das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, der es für diskriminierend befunden hatte, dass nur Vertreter bestimmter Religionsgruppen am Karfreitag frei haben.
„Entweder haben alle frei oder keiner, aber ich kann nicht eine Minderheit bevorzugen“, findet Niko Alm das EuGH-Urteil und die Reaktion der Regierung absolut nachvollziehbar. Der Unternehmer, der in der vergangenen Legislaturperiode für die NEOS im Nationalrat saß und eine Zeit lang als deren Religionssprecher fungierte, wird gemeinhin als „Laizismus-Aktivist“ bezeichnet, was dem 43-Jährigen immer noch lieber ist als die Zuschreibung „Religionskritiker“: „Religionskritik findet für mich intern statt, ich kritisiere ja nur die Wirkung von Religion auf den Staat, der sich meiner Meinung nach neutral verhalten sollte“, so Alm im Gespräch mit der Tiroler Tageszeitung.
Mitte Februar ist nun Alms erstes Buch erschienen, in dem er die Instrumentalisierung von Politik durch Religion analysiert – beginnend mit einem historischen Abriss. Ein zentraler Befund des Autors: „Dem Staat mangelt es an Selbstbewusstsein gegenüber der Kirche – damals wie heute.“ Denn, so Alms These, nach einem großen Schub durch die Aufklärung sei das Verhältnis zwischen Religion und Staat hierzulande in den letzten 100 Jahren mit Stagnation am besten beschrieben. „Vor allem in Deutschland, Österreich und Italien hat sich die katholische Kirche mit den Konkordaten stark in das Staatsleben eingebracht, im Gegensatz zur Säkularisierung in protestantischen Ländern, etwa Schweden oder Dänemark.“ Dort mache Religion keine Tagespolitik, befindet Alm.
Das Thema beschäftigt den Unternehmer seit Langem. Der breiten Öffentlichkeit wurde Alm bekannt, als 2011 sein Führerscheinfoto mit Nudelsieb – auch für ihn überraschend – als religiöse Kopfbedeckung akzeptiert wurde. Dass Alms Kokettieren mit dem „Pastafarianismus“, der „Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters“, vor allem in konservativen Kreisen nach wie vor für Empörung und Ablehnung sorgt, damit kann er leben: „Das Thema Laizismus interessiert mich intellektuell, aber nicht emotional. Was ich publiziere, wirkt sehr radikal, aber man muss auch ehrlich sagen: Ohne Provokation wird man nicht gehört“, erklärt Alm. Er habe aber auch die Erfahrung gemacht, dass man – hinter verschlossenen Türen – mit Kirchenvertretern „sehr sachlich“ diskutieren könne. Dass die Abschaffung von Kirchenprivilegien in Österreich allerdings kein mehrheitsfähiges Thema ist, trotz einer stetig sinkenden Zahl von Gläubigen, zeigte 2013 der magere Zulauf zum von Niko Alm mitinitiierten Volksbegehren „Initiative gegen Kirchenprivilegien“: Mit knapp 57.000 Unterzeichnern ging es als das erfolgloseste in die Geschichte der Zweiten Republik ein.
Hoffnung, dass sich an der Verflechtung von Kirche und Staat etwas ändert, hat Alm wenig: „Die Migrationswelle führt dazu, dass Religion ein Thema bleibt – im Sinne der Abgrenzung und einer Art religiös begründeten Kulturkampfes“, erklärt der Publizist – und bringt ein Beispiel aus dem Nachbarland: Der im vergangenen Jahr verhängte Kreuzerlass von Ministerpräsident Markus Söder (CSU), wonach in sämtlichen bayerischen Behörden ein Kreuz hängen muss, wurde mit dem Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung des Freistaats begründet. „Die Politik versucht sich über den Umweg Religion zu immunisieren“, befindet Alm. In seinem Erstlingswerk skizziert er, wie ein Staat aussehen könnte, für den Religion tatsächlich Privatsache ist.
Ob nach dem umstrittenen Karfreitagsurteil weitere ähnliche Änderungen folgen könnten? Immerhin acht von 13 gesetzlichen Feiertagen basieren in Österreich auf dem Konkordat, dem völkerrechtlichen Vertrag Österreichs mit dem Heiligen Stuhl. Atheist Alm favorisiert statt religiös vorgegebenen Tagen mehr individualisierten Urlaubsanspruch. Dass ein solcher Abtausch illusorisch ist, daran zweifelt er freilich nicht.