Zeuge Urkullu: Puigdemont brach Abmachung über Neuwahl in Katalonien
Madrid/Barcelona (APA) - Beim Prozess gegen zwölf katalanische Separatistenführer vor dem Obersten Gerichtshof in Madrid warf der baskische ...
Madrid/Barcelona (APA) - Beim Prozess gegen zwölf katalanische Separatistenführer vor dem Obersten Gerichtshof in Madrid warf der baskische Regierungschef Inigo Urkullu dem damaligen Separatistenführer Carles Puigdemont vor, die Abmachung über Neuwahlen gebrochen zu haben.
Urkullu sagte am Donnerstag im Prozess als Zeuge aus. Der baskische Nationalist (PNV) erklärte vor Gericht, er habe im Vorfeld des illegalen Unabhängigkeitsreferendums vom 1. Oktober 2017 zwischen der spanischen Zentralregierung des damaligen Regierungschefs Mariano Rajoy (PP) und Kataloniens separatistischen Ministerpräsidenten Carles Puigdemont vermittelt. Ziel dieser Vermittlung war es, nach dem Referendum eine einseitige Unabhängigkeitserklärung und damit die Zwangsverwaltung Kataloniens und die Absetzung der damaligen Regionalregierung zu verhindern.
Eigentlich war alles abgesprochen, um den Frontalkonflikt zu verhindern: Madrid akzeptierte wie zuvor angekündigt nicht das Ergebnis des Referendums. Eine große Mehrheit der Katalanen sprach sich damals für die Unabhängigkeit aus, obwohl auch nur weniger als die Hälfte der Stimmberechtigen teilgenommen hatten.
Puigdemont hatte Urkullu damals um Vermittlung mit Rajoy gebeten und Neuwahlen als Alternative für eine einseitige Unabhängigkeitserklärung zugestimmt. Doch einen Tag vor der Ausrufung der Katalanischen Republik am 27. Oktober 2017 soll ihn Puigdemont angerufen und erklärt haben, der Druck der Unabhängigkeitsbefürworter auf der Straße und innerhalb seiner separatistischen Wahl-Allianz JxCAT sei zu groß und er werde nun doch die Unabhängigkeit ausrufen.
Damit bestätigte der baskische Ministerpräsident nicht nur ein offenes Geheimnis, sondern widersprach auch Mariano Rajoy, der noch am Mittwoch im Zeugenstand erklärt hatte, es habe damals keine Vermittlung zwischen Madrid und Barcelona gegeben. Die Aussage stellt auch Rajoys Nachfolger Oppositionsführer Pablo Casado knapp eineinhalb Monate vor den spanischen Parlamentswahlen in ein schlechtes Licht. Denn kurz vor dem Prozessauftakt am 12. Februar hatte Casado zusammen mit den rechtsliberalen Ciudadanos und der rechtspopulistischen Vox-Partei eine Massendemo in Madrid organisiert, um gegen die zu dialogbereite Politik der sozialistischen Regierung von Premier Pedro Sanchez (PSOE) im Katalonien-Konflikt zu protestieren.
Konkret warf das Rechtslager Sanchez vor, einen Vermittler im Katalonien-Konflikt zu akzeptieren und damit unverantwortlich auf die Forderungen der Separatisten einzugehen. Der Streit um die „Vermittlerrolle“ war unter anderem einer der indirekten Auslöser für die Ausrufung von Neuwahlen am 28. April. Nun stellt sich allerdings heraus, dass anscheinend auch die konservative Vorgängerregierung unter Rajoy einen Vermittler akzeptiert hatte.
Unterdessen verteidigten Barcelonas Bürgermeisterin Ada Colau und der separatistische ERC-Parlamentarier Gabriel Rufian am Donnerstag als Zeugen die angeklagten Separatistenführer. Neben separatistischen Bürgeraktivisten und Kataloniens ehemaliger Parlamentspräsidentin stehen fast alle Mitglieder von Puigdemont damaliger Regionalregierung vor Gericht. Puigdemont ist vom Verfahren ausgeschlossen, da er nach Belgien geflohen war.
Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten im Zuge des Abspaltungsreferendums und des anschließenden Unabhängigkeitsbeschlusses des Regionalparlaments in Barcelona Rebellion, Aufruhr und Veruntreuung öffentlicher Mittel vor. Für den Hauptangeklagten, den früheren stellvertretenden Regionalpräsidenten Oriol Junqueras, werden 25 Jahre Haft gefordert. Ada Colau wie Gabriel Rufian erklärte, dass die Gewalt, die als Grundlage für die Anklage auf Rebellion fungiert, damals lediglich von der spanischen Polizei ausging, die mit Schlagstöcken zu verhindern suchte, einen demokratischen Urnengang zu stoppen, so die beiden Zeugen.
Am Mittwoch hatten Spaniens damaliger Ministerpräsident Rajoy und seine Stellvertreterin Soraya Saenz de Santamaria noch versucht zu belegen, dass im Zuge des Referendums durchaus zur Gewalt von den Separatistenführer aufgerufen wurde. Auf Fragen der Anwälte der Angeklagten sagte Rajoy, er bedauere die Gewaltszenen, die es am Tag des Referendums gegeben hatte. Dafür seien aber die Separatisten verantwortlich gewesen, so Rajoy. Sie hätten eine illegale Abstimmung abgehalten. Seine Entscheidung, Katalonien nach dem Trennungsversuch vorübergehend unter Zwangsverwaltung der Zentralregierung zu stellen, sei „gerechtfertigt“ gewesen. Unterdessen erhob Rajoys damaliger Finanzminister Cristobal Montoro am Mittwoch im Zeugenstand den Vorwurf, die Separatisten hätte für die Durchführung des illegalen Unabhängigkeitsprozesses öffentliche Steuergelder veruntreut.
Nach der zweiwöchigen Anhörung der Angeklagten werden ab Mittwoch nun die ersten der fast 500 Zeugen im Mammut-Prozess gegen die katalanischen Separatistenführer vernommen. Da in Spanien am 28. April jedoch vorgezogene Parlamentswahlen stattfinden, haben sich die Richter entschieden, gleich zu Beginn die prominentesten Zeugen anzuhören, um den politischen Einfluss des Prozesses auf die Wahlkampagne möglichst zu reduzieren.