Toll bewertet ist oft gut gelogen: Fakes erkennen „schwierig“
Sternchen haben die Mundpropaganda ersetzt. Die Online-Bewertungen für ein Produkt oder ein Restaurant sind oft manipuliert. Leicht sei das nicht zu erkennen, sagt ein Professor, der zu dem Thema forscht.
Von Matthias Christler
Wien – Der Online-Handel ist nicht mehr wegzudenken, der neue Fernseher landet nach ein paar Klicks im Warenkorb, der gebrauchte Kindersitz wird am Online-Marktplatz organisiert und die Reise wird auch im Internet gebucht. Dabei verlässt man sich auf Sternchen und die Bewertungen von anderen, oft anonymen Nutzern. Aber wo bewertet wird, wird auch gelogen. Ben Greiner von der Wirtschaftsuniversität Wien forscht zur Bewertungskultur im Netz.
Auf welchen Plattformen gibt es die größten Probleme mit Fake-Bewertungen?
Ben Greiner: Man muss unterscheiden, auf welcher Plattform die Bewertungen abgegeben werden. Da gibt es die reinen Bewertungsplattformen wie TripAdvisor oder Yelp, auf denen Nutzer externer Produkte ihre Bewertungen abgeben. Die Plattformen haben natürlich ein Interesse daran, dass die Bewertungen, die auf ihnen gesammelt werden, auch informativ sind – sonst verlieren sie ja ihren Mehrwert.
Dann gibt es zweiseitige Marktplattformen wie Ebay oder Airbnb. Wenn die Käufer dort nicht darauf setzen können, dass die Bewertungen aussagekräftig sind, dann werden sie mittelfristig das Vertrauen in die Plattform verlieren. Einseitige Plattformen hingegen, die auf eigene Rechnung verkaufen, haben eher ein Interesse an möglichst guten Bewertungen.
Sind eher negative oder positive Fake-Bewertungen ein Problem?
Greiner: Die positiven, die von den Verkäufern, Hotels oder Restaurants selbst initiiert werden, also „gekauftes” Feedback. Das zu verhindern, darauf zielt meines Erachtens eine neue EU-Gesetzesinitiative ab. Es gibt mittlerweile Facebook-Gruppen, auf denen Amazon-Verkäufer mit Produktproben und Gutscheinen versuchen, positive Bewerter zu rekrutieren. Amazon weist daher bereits in den angezeigten Bewertungen darauf hin, ob es sich um einen „verifizierten“ Kauf handelt.
Kann man als Kunde, als Käufer oder Gast, Fake-Bewertungen erkennen?
Greiner: Das ist sehr schwer. Wenn es automatisierte Massenfeedbacks sind, dann kann man es manchmal an recht sinnlosen Feedback-Texten erkennen. Das wirklich effektivste Mittel sind hier „verifizierte“ Feedbacks. Da weiß man dann, dass dahinter auch eine echte Transaktion steht.
Rückmeldungen vom Käufer über den Verkäufer und umgekehrt werden für die Allgemeinheit sichtbar und so soll Vertrauen aufgebaut werden. Wie wichtig ist das beim Online-Handel?
Greiner: In anonymen Transaktionen über das Internet ersetzen Online-Bewertungen quasi die Mundpropaganda. Die empirische Forschung zeigt, dass Feedbacksysteme auf Online-Plattformen recht gut funktionieren, wenn sie richtig gemacht sind. Sie sind sogar oft essenziell dafür, dass sich Käufer und Verkäufer überhaupt vertrauen und dadurch Handel zustande kommt. Je größer die Beteiligung an einem Feedback-System, umso geringer wird auch der Einfluss bewusst falscher Bewertungen sein. Marktplätze als auch Verkäufer auf diesen Märkten sollten daher alles versuchen, echte Kunden zur Abgabe von Feedback zu motivieren.
Glauben Sie, dass negative Fake-Bewertungen schon gezielt eingesetzt werden, um Mitbewerbern zu schaden?
Greiner: Es kann natürlich sein, dass Mitbewerber ihre Konkurrenten sabotieren wollen. Aber effektiv ist das sehr wahrscheinlich nicht. Wenn man viele eigene Kunden hat und damit viele Bewertungen, werden die negativen Bewertungen eher untergehen.
Sie forschen vor allem an Rückmeldungen aus strategischen Gründen. Was verstehen Sie darunter?
Greiner: Ein Phänomen, mit dem wir uns etwas tiefer auseinandergesetzt haben, ist „Rachefeedback“. Wenn z. B. ein Käufer einer Verkäuferin ein negatives Feedback gibt und Letztere dies beobachten kann, dann ist die Wahrscheinlichkeit extrem hoch, dass die Verkäuferin ein negatives Feedback zurückgibt. Und wenn sich das herumspricht, dann werden sich Käufer sehr gut überlegen, ob sie überhaupt ein negatives Feedback abgeben. Dadurch wird nur noch positives Feedback gesammelt, und das Feedbacksystem ist wenig informativ.
Ebay hat auf unseren Rat hin auf dieses Problem durch Reformen seines Feedback-Systems reagiert, und Airbnb hat deshalb eine Regel, dass Bewertungen erst veröffentlicht werden, wenn sowohl Mieter als auch Vermieter ihre Bewertung abgegeben haben.