Theater

„Rojava“: Entscheidung zwischen Sandsack und Sofakissen

Viel Musik für den ohnmächtigen Österreicher: Nach „Homohalal“ oder „Heimwärts“ setzt der 1982 in Aleppo geborene und in Wien lebende Arzt und Autor Ibrahim Amir mit „Rojava“ die durchaus beißenden Reflexionen über seine Heimaten fort.
© LupisPuma

Kopfüber in den Kampf: Ibrahim Amirs neues Stück „Rojava“ erlebte am Wiener Volkstheater eine bejubelte Uraufführung.

Von Bernadette Lietzow

Wien –Sind es die Lieder einer neuzeitlichen Sirene, die den jungen Studenten Michael aus der behaglichen Wiener Josefstadt in den Kampf nach Nordsyrien locken? Die phantastische Stimme der aus Teheran stammenden Sängerin Golnar Shahyar, die Michaels kurdisch-österreichische Freundin Derya verkörpert, verzaubert nicht nur ihn, sondern auch das Publikum des Volkstheaters, das am vergangenen Donnerstag der Uraufführung von Ibrahim Amirs „Rojava“ beiwohnte.

Es ist die Musik, die dem sprachlich wie inhaltlich etwas unentschlossenen Text, der streckenweise mit Pathos und Floskeln, Kitsch und Sehnsucht jongliert, das notwendige Gerüst verleiht.

Sandy Lopicˇic´, österreichischer Musiker, Regisseur und Komponist mit bosnischen Wurzeln, verbindet in einer ersten Arbeit für Anna Badoras Haus am Weghuberpark seine künstlerischen Zugänge zu einem Musik-Theater-Abend im Zeichen des Krieges. Klarinette, Cello, Trompete, Drums und viel Gesang begleiten federführend die Erzählung.

Vom Zuseherraum aus erklimmt Claudia Sabitzer als Michaels verzweifelte Mutter Ursula die von Vibeke Andersen gestaltete Drehbühne, die den Blick freigibt auf die Betonruinen und Elektromasten des nordsyrischen Kampfgebietes oder auf Ursulas Wiener Polsterstuhl-Idylle.

Ihr Sohn Michael (als glaubhaft verwirrter Idealist: Peter Fasching) schließt sich den Kämpfern für die Demokratische Föderation Nordsyrien, kurdisch Rojava, an.

In unseren Breiten medial eher vernachlässigt, wird in Rojava der von der Türkei, IS wie Assad-Regime heftig bekämpfte Versuch unternommen, mittels eines Demokratischen Konföderalismus unter anderem Religionsfreiheit und Frauen-Gleichberechtigung als konstituierende Elemente festzuschreiben.

Und so stolpert der schwärmerische Student, rechtschaffen ahnungslos, in ein kriegerisches Abenteuer, das er mit dem Tod bezahlt. Dem Kurden Alan (toll: Luka Vlatkovic´), der seine Familie im Krieg verloren hat, wird er seinen Pass für die ersehnte Flucht überlassen.

Dessen blinder Cousin Kaua, den Sebastian Pass als abgeklärten Rufer in der Wüstenei zwischen Mörsergranaten und Gewehrsalven gibt, wird Michael umsonst über die banalen Realitäten des Kriegsalltags aufklären.

Die Liebe zur jungen Kämpferin Hevîn (Isabella Knöll) ist ein Tabu, Michael bleibt bis zu seinem gewaltsamen Ende ein belächelter Fremder.

Begeisterter Applaus für das Ensemble und ein Blumenstrauß für Ibrahim Amir, der sich über Sandy Lopicˇic´’ trotz der Dramatik des Geschehens leichtfüßige Umsetzung freuen darf.