Ein Haus, in dem Mütter lernen, was ihre Kinder brauchen
In Axams entsteht ein neues Mutter-Kind-Haus. Die Frauen werden 24 Stunden, 7 Tage pro Woche betreut, damit sie ihre Babys behalten können.
Von Alexandra Plank
Innsbruck — Wir möchten alle gerne glauben, dass die Mutterliebe sich sofort einstellt, wenn das Kind auf der Welt ist und seinen ersten Schrei tut. Oder idealerweise noch während der Schwangerschaft. Doch es gibt Frauen, quer durch alle Alterschichten, die selbst nie erfahren durften, was ein Kind braucht, und daher mit der Versorgung eines so kleinen, hilflosen Wesens überfordert sind.
Seit 2012 bietet daher das Landesjugendheim in Axams Mutter-Kind-Einheiten an. Im Landeskinderheim leben Kinder, deren Eltern sie nicht versorgen können.
Derzeit werden die Mutter-Kind-Einheiten neu gebaut, indes sind die Frauen und der Nachwuchs im Zentrum für Hör- und Sprachpädagogik in Mils untergebracht. Daniela Preissler-Bieglmann, Leiterin des Landeskinderheims, erklärt, dass diese Form der Rundum-Betreuung die einzige Möglichkeit ist, um Müttern eine Abnahme des Kindes zu ersparen. Auch Soziallandesrätin Gabriele Fischer betont die Bedeutung der Einrichtung. Der Neubau in Axams soll bereits im Herbst 2019 bezugsfertig sein. „Es gibt sehr viele Studien, die belegen, wie wichtig gerade das erste Lebensjahr für die Mutter-Kind-Bindung ist. Die Frauen lernen während der Zeit im Haus den richtigen Umgang mit den Babys. Oft befähigt sie das dazu, sich selbstständig um die Kinder zu kümmern, manche kommen aber auch zum Schluss, dass sie die Kinder loslassen müssen."
Letzteres sei zwar traurig, aber besser als Kinder, die entzogen werden müssen. „Die Trennung sollte so erfolgen, dass die Mütter ein Teil des Lebens der Kinder bleiben können", sagt die Landesrätin. Laut Preissler-Biegl- mann leben die meisten Frauen durchaus in Partnerschaften, die Altersstruktur ist gemischt. „Sie haben gemeinsam, dass sie keine Nestwärme erfahren haben und daher nicht wissen, wie man einem Kind Liebe vermittelt." Die Mütter werden für die Dauer von vier bis sechs Monaten (mit anschließender fachlicher Nachbetreuung zu Hause) aufgenommen.
Laut Silvia Rasch-Schell, Leiterin der Jugendwohlfahrt, werden die Frauen mit der „Marte Meo"-Methode an ihre mütterliche Rolle herangeführt. „Mit videounterstützter Arbeit wird die Bindung zwischen Mutter und Kind gestärkt und allfällige Themen der Betreuung des Kindes mit den Müttern bearbeitet."
Die Frauen werden beim Wickeln oder Baden gefilmt, dann wird das Material gemeinsam analysiert. „Es geht darum, den Müttern zu zeigen, was sie schon gut machen und was sie verbessern können", so Preissler-Bieglmann. Die Unterstützung wird von der Kinder- und Jugendhilfe jenen Müttern angeboten, die große Unsicherheiten haben und für die eine ambulante Variante nicht ausreicht.
Laut Fischer wird schon lange über eine Mutter-Kind-Abteilung an Kliniken diskutiert, damit Frauen bei einer postnatalen Depression nicht von den Babys getrennt werden müssen (siehe unten). Diese falle aber in die Zuständigkeit von Landesrat Bernhard Tilg.
Wenn Mütter sehr traurig sind
Harald Meller, Präsident der Gesellschaft für psychotherapeutische Versorgung Tirols, hat schon vor gut einem Jahrzehnt ein Konzept für Mütter entwickelt, die nach der Geburt an psychischen Problemen leiden. Ihm schwebt eine eigene Einrichtung vor, in der bis zu 20 Mütter mit ihren Kindern betreut werden können. „Es sollen Wohneinheiten geschaffen werden, wo sich die Frauen nicht als Patientinnen fühlen, aber jederzeit auf Hilfe zurückgreifen können", erläutert er. Das Haus sei für alle Mütter gedacht, die psychisch labil seien und gestützt werden müssen.
Obwohl das Problem nicht weniger dringlich geworden sei, gab es bisher laut Meller keine politischen Anstrengungen, das Projekt umzusetzen. Fest stehe aber, dass es sowohl für die Mütter als auch für die Kinder traumatisierend sei, wenn sie in der besonders wichtigen ersten Zeit getrennt werden müssen.
Psychische Probleme seien in Tirol weiter ein Tabu, wenn Mütter psychisch krank seien, werde das häufig versteckt, meint Meller.