Was kommt noch? Doping-Netzwerk löst sich auf
Doping-Lawine schwappt über den nordischen Sport hinaus. Österreichische Lotterien stellen Skiverband Rute ins Fenster und rügen Scheitern im Kampf gegen illegale Leistungssteigerungen.
Seefeld, München –Wo ist der Anfang, wo das Ende? Der Dopingskandal um den bereits verhafteten Erfurter Sportmediziner Mark S. überrollt derzeit den Sport wie ein Tsunami. Nicht nur die Nordischen, die wie die Österreicher Max Hauke oder Dominik Baldauf bei der WM in Seefeld auf frischer Tat beim Eigenblut-Doping erwischt wurden. 40 kühl gelagerte Blutbeutel mit Tarnnamen haben die Ermittler in dem Dopinglabor des ehemaligen Mannschaftsarztes von Gerolsteiner gefunden. Das Radteam vertraute ab 2006 auf seinen ärztlichen Rat.
Dass schon damals nicht alles sauber mit Mark S. gelaufen ist, deckt sich nicht nur mit den Aussagen von Ex-Radrennfahrer und Dopingsünder Bernhard Kohl (2008), sondern auch mit den Einschätzungen von Kai Gräber, dem Leiter der Schwerpunktstaatsanwaltschaft München. Man müsse aber noch weiter zurückgehen, glaubt Gräber. Der Mediziner dürfte über die Jahre ein Netzwerk unter Sportlern aufgebaut haben, 50 bis 60 sollen pro Saison bis zu 15.000 Euro für die Betreuung beim Blutdoping gezahlt haben.
Das Doping-Equipment hat er übrigens von dem 2010 in Österreich wegen versuchten Blutdopings und der Weitergabe von Dopingmitteln verurteilten Sportmanager Stefan Matschiner erhalten. In seinem Geflecht verfügte der Sportarzt auch über Mitarbeiter. Sein Vater, ein Anwalt, und eine Krankenschwester wurden wie Hauke, Baldauf sowie drei Sportler aus Kasachstan und Estland in der Vorwoche in Seefeld verhaftet. Über die Frau kam man jetzt offensichtlich auf die Spur des Tiroler Radsportlers Stefan Denifl. In den Vernehmungen dürfte Denifls Name gefallen sein, am Freitag wurde er verhaftet und legte ein umfassendes Geständnis ab. „Auch bei diesem Sportler besteht der Verdacht, er habe die verbotene Methode des Blutdopings angewendet und daher Sponsoren und Veranstalter getäuscht. Er wurde dazu vernommen, hat sich geständig gezeigt und wurde wieder enthaftet“, teilte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Hansjörg Mayr, mit.
Mit dem Geständnis von Denifl brechen jetzt alle Dämme in Richtung anderer Sportarten – und vor allem des Radsports. Eine angebliche Liste der Ermittler macht die Runde, von Hunderten Sportlern ist die Rede. Der Präsident des Österreichischen Skiverbands (ÖSV) Peter Schröcksnadel will Hinweise haben, dass auch deutsche Sportler draufstehen. Dass sie involviert sein könnten, schließen die Behörden in Deutschland nicht aus.
Von einer Phase der Ungewissheit spricht deshalb der Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes, Alfons Hörmann. „Es gibt nichts Schlimmeres als die Phase der Spekulationen oder Interpretationen.“ Diese Woche wird jedoch mit weiteren Enthüllungen gerechnet.
Einer der wichtigsten Sponsorpartner des Sports, die Österreichischen Lotterien, gehen mit dem ÖSV hart ins Gericht. Es mache betroffen, „dass vom Skiverband über Jahre hinweg kein wirkungsvoller Mechanismus zur Verhinderung von Doping entwickelt und keine interne Kultur etabliert werden konnte, die derartige betrügerische Vorgänge unmöglich macht“, kritisiert Generaldirektor Alexander Labak. Er nimmt Schröcksnadel in die Pflicht. „Die Übernahme von persönlicher Führungsverantwortung im ÖSV für das langjährige systematische Scheitern im Kampf gegen Doping ist geboten. Darüber hinaus geht es um eine grundlegende Erneuerung der Führungsstruktur und -kultur, mit dem Ziel, Werte wie Ehrlichkeit, Sportsgeist und Professionalität wieder ins Zentrum zu stellen.“
Seit gestern steht jedoch endgültig fest: Das Doping-Netzwerk von Mark S. nimmt tatsächlich Züge des spanischen Doping-Arztes Eufemiano Fuentes an. (pn)