Wampelerreiten in Axams: Brachiales Brauchtum begeisterte Tausende
Das berühmte Wampelerreiten lockte am Sonntag bei Kaiserwetter Tausende Besucher nach Axams. Sie erlebten heftige Duelle zwischen Winter und Frühling – und eine faszinierende Figurenvielfalt.
Von Michael Domanig
Axams – Nur alle vier Jahre geht in Axams der große Fasnachtsumzug mit dem berühmt-berüchtigten Wampelerreiten über die Bühne. Dass rund um diesen finalen Höhepunkt der Axamer Fasnacht positiver Ausnahmezustand im Dorf herrscht, ist am Sonntag eine gute Stunde vor Umzugsbeginn allerorten zu sehen und zu spüren.
Die Faszination für das Brauchtum erfasst dabei schon die Jüngsten: „Papa, wann geht’s endlich los?“, fragt, hörbar aufgeregt, der sechsjährige Luis Prokop. Schon beim letzten großen Umzug, als Zweijähriger, saß er mit auf dem Leiterwagen, heuer wirkt er erstmals als Aktiver mit – und zwar als „Jungwampeler“ mit allen typischen Attributen: dick ausgestopftes weißes Leinenhemd, roter Rock, Stock in der Hand. „Der Bub ist mit Leidenschaft dabei, er hat es sich selbst organisiert und ist von sich aus auf den ‚Wampelervater‘ zugegangen“, erzählen die Eltern stolz.
„Angst darf man als Wampeler keine haben“
Die unverkennbare gedrungene Gestalt eines „Wampelers“ – der berühmtesten Axamer Fasnachtsfigur – hat auch eine Gruppe von jungen Männern angenommen. Sie stehen vor einem Tennen im Dorfzentrum, wo sie gerade frisch „ausgeschoppt“ wurden: Dabei wird Heu der zweiten Mahd („Grummet“) mit gewaltigem Kraftaufwand unter die weiße „Pfoat“ gestopft, bis der Wampeler so bauchig ausschaut wie gewünscht. 15 bis 20 Kilogramm Heu und über eine Stunde Zeit sind für diesen Vorgang nötig.
Was es sonst noch für einen echten Wampeler braucht? Um bei den Großen mitzumachen, muss man mindestens 16 Jahre alt sein, Axamer – „und damit einverstanden, dass man sich womöglich weh tut“, meint einer aus der Gruppe lachend, „Angst darf man keine haben.“ Bislang seien sie zwar ohne gröbere Verletzungen davongekommen, erzählen Andi Kleisner (Hofname „Pofnzer“) und Bernhard Dietrich („Anders“), die schon zum vierten bzw. fünften Mal beim großen Umzug antreten. Aber offene Lippen, blutige Nasen oder eine Sehnenverletzung an der Hand waren durchaus schon dabei.
„Kein Kinderfasching“
Das Wampelerreiten ist ein symbolisches Duell zwischen dem Winter, verkörpert vom Wampeler, und dem Frühling, also den „Reitern“, die versuchen, ihre Kontrahenten auf den Rücken zu werfen. Ziel der Wampeler ist es, das zu verhindern und „weiß“ rund ums Dorf zu kommen.
Dabei geht es auch diesmal zwei Runden lang rau bis brachial zur Sache – das Ganze ist eben „kein Kinderfasching“, wie es Gastgeber-Bürgermeister Christian Abenthung ausdrückt. Wobei das wilde Brauchtum ehernen Regeln folgt: Die Wampeler, die sich geduckt und tänzelnd durchs Dorf bewegen, dürfen von den Reitern etwa nur von hinten angegriffen werden. Gegen Attacken von vorne wehren sie sich mit ihrem Stock – der ihnen auch dabei hilft, das Gleichgewicht zu halten.
Doch die Axamer Fasnacht, das wird an diesem Nachmittag deutlich, hat noch viele weitere faszinierende Aspekte: Insgesamt rund 450 „Laniger“ sorgen für einen farbenprächtigen Bilderreigen.
Von den „Tuxern“ bis zu den „Flitschelern“
Nach dem Auftakt mit dem „Axamer Bock“, dem Symbol der örtlichen Fasnacht, samt zugehörigem Gedicht, vorgetragen von Toni Singer, sind alle traditionsreichen Figuren zu bestaunen: Da sind etwa die „Tuxer“ mit ihren jugendlich-frühlingshaften Masken, edlen Seidentüchern und prächtig geschmückten Hüten, die ihre Goaßln nicht nur zum ohrenbetäubenden, technisch perfekten „Schnöllen“ nützen, sondern auch eifrig zum „Einfangen“ von Zuschauerinnen.
Für ebenso große Begeisterung sorgen die „Flitscheler“, die für Fruchtbarkeit stehen: Auf einer alten, verkehrt herum angezogenen Anzugjacke und am Hut tragen sie getrocknete, zusammengeknotete Blätter der Maiskolbenenden, eben die „Flitschen“. Rund 120 Maiskolben braucht es für eines der prächtigen Kostüme – das neben Männern übrigens auch Frauen tragen.
Ausgelassene Stimmung ist hernach bei den hexenähnlichen, mit Krückstock ausgerüsteten „Nadln“ und den flinken „Buijazzln“ mit farbenprächtigem Gewand und spitzem Hut garantiert. Zahlreiche „Altboarische Paarln“, die dem Zug gemessenen Schrittes folgen oder zu Polka- und Walzerklängen tanzen, bilden dazu einen reizvollen Kontrast. Genau wie die „Kranewitter-Mander“ mit ihren ehrfurchtgebietenden Gewändern aus Wacholderstauden.
Auch zahlreiche aufwändige Festwagen rollen durchs Dorf – vom riesigen Bärenwagen (vor dem sich Bären und Treiber wilde Gefechte liefern) über die „Altweibermühle“ bis hin zu den Axamer „Vöglfochern“ oder dem Lederhosenverein mit einer Indianer-Vorführung („Kuh des Manitu“).
Bürgermeister bis Bischof
Die zahlreich erschienenen Ehrengäste – darunter die Landesräte Hannes Tratter und Gabriele Fischer, Innsbrucks Bürgermeister Georg Willi, mehrere Landtagsabgeordnete und zahlreiche Ortschefs, aber auch Autor Felix Mitterer – spenden kräftig Applaus und schwingen zudem fleißig das Tanzbein.
Der erste Fasnachtsumzug ist es für Bischof Hermann Glettler: Er hat in der Früh beim Familiengottesdienst in Mühlau LR Fischer getroffen – die ihm spontan ihre zweite Ehrenkarte zur Verfügung stellte. Sein Urteil fällt der Steirer auf gut Tirolerisch: „Einfach bärig.“ Sogar auf den wilden Wagen der „Kögelehexen“ wagt sich Glettler – und die lange Hexenrutsche hinab.
Etwa ein Jahr hat der Fasnachtsverein Axams rund um Obmann Patrick Auer in die aufwändige Vorbereitung gesteckt, die perfekte Organisation wird mit Kaiserwetter und mehreren tausend Zuschauern belohnt. Fazit: An diesem Tag hat der Frühling bereits klar den Sieg über den Winter davongetragen …