EU-Umweltrat: Österreich-Initiative und Streit um Trinkwasser
Österreich startet eine Initiative für „100 Prozent Erneuerbare Energie“ in Europa. Die SPÖ kritisiert, dass die Regierung gegen eine Senkung der Grenzwerte für Blei im Trinkwasser stimmen will.
Brüssel – Österreich startet gemeinsam mit Luxemburg, Irland und Litauen eine Initiative für „100 Prozent Erneuerbare Energie“ in Europa. Beim EU-Umweltrat am Dienstag in Brüssel präsentiert Ministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) diesen Plan im Rahmen der „Long Term Strategy“ der Union. Ziel ist, bis 2050 zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu gelangen.
Die Initiative „100 Prozent Erneuerbare Energie“ bedeute den vollständigen Ausstieg aus der Atomkraft und aller fossilen Energieträger in der Stromerzeugung bis 2050. Der Ausbau erneuerbarer Energieträger sei unverzichtbar, wenn Europa seine Klimaziele erreichen wolle, heißt es in dem Papier.
Auf alle EU-Staaten übertragen
Österreich selbst sei auf diesem Weg schon sehr ambitioniert unterwegs. „Bilanziell erzeugen wir mehr als 73 Prozent unseres Stroms aus erneuerbaren Energieträgern“, sagte Köstinger - bis 2030 sollen es in Österreich über ein ganzes Jahr gerechnet 100 Prozent sein.
Mit der Initiative wolle Österreich mit den drei anderen Ländern den Anstoß geben, die Ambition auf alle EU-Staaten zu übertragen. Als Mitglied der „Green Growth Group“ und der „High Ambition Coalition“ habe Österreich einen besonderen Ehrgeiz in diesem Bereich.
Streit um Trinkwasser
Im Vorfeld des EU-Umweltrates gab es bereits eine veritable Auseinandersetzung hinsichtlich der geplanten neune Trinkwasserrichtlinie. So war der SPÖ-Spitzenkandidat für die EU-Wahl, Andreas Schieder der Regierung vor, gegen strengere Bleiwerte bei der EU-Trinkwasserrichtlinie zu stimmen. Dies sei völlig unverständlich und „Politik gegen die Menschen und für die Konzerne“, so Schieder am Montag. Er forderte Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) auf, beim EU-Rat am Dienstag die Richtlinie nicht zu blockieren.
Deutschland habe ein Maßnahmenprogramm für Bleirohre vorgeschlagen, das einen Wert von nur fünf Mikrogramm Blei vorsehe. Dies sei die Hälfte der von der WHO vorgeschlagenen zehn Mikrogramm. U.a. Deshalb wolle Österreich nicht zustimmen, kritisierte Schieder.
Köstinger „verwundert“
Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) zeigte sich verwundert über die Kritik. Sie sieht einen SPÖ-internen Konflikt. Wenn Schieder die Koalition kritisiere, weil Österreich gegen die vorliegende EU-Trinkwasserrichtlinie sei, wisse er nicht, dass auch die rot geführten Bundesländer dies ablehnten.
Burgenland, Kärnten und Wien hätten in einer gemeinsamen Stellungnahme aller Bundesländer beschlossen, dem vorliegenden Vorschlag zur EU-Trinkwasserrichtlinie nicht zuzustimmen, sagte Köstinger. Offenbar spreche man in der SPÖ nicht mehr miteinander über inhaltliche und europapolitische Themen.
In der Richtlinie sei derzeit der Wert von zehn Mikrogramm beim Blei rechtlich verbindlich enthalten. Diesen Wert habe Österreich seit Jahren auf nationaler Ebene umgesetzt. „Es wäre wichtig, dass Herr Schieder sich mit den Fakten, aber auch den Standpunkten in SPÖ-geführten Bundesländern, vertraut macht, bevor er öffentlich Vorwürfe erhebt.“
Die Ministerin unterstrich, dass „selbstverständlich Österreich für den freien Zugang zu Wasser“ sei. „Es gibt kein Land in Europa, das diesen freien Zugang umfassender hat als Österreich. Bei uns kann man aus jedem Wasserhahn das Wasser trinken.“ Dagegen wolle die SPÖ offenbar weitere Kompetenzen - in diesem Fall beim Wasser - nach Brüssel abgeben. Wasser sei aber zu wichtig, um damit Europa-Wahlkampf zu betreiben.
Bleirohre nicht verboten
Die Trinkwasserrichtlinie aus dem Jahr 1998 legt Qualitätsnormen für Wasser für den menschlichen Gebrauch fest. Dabei geht es auch um Vorgaben zur einheitlichen hygienischen Anforderung von Materialen beispielsweise bei Trinkwasserleitungen. Obwohl Bleirohre nicht auf einer „Positivliste“ aufscheinen, seien sie aber nicht verboten. Eine Negativliste gibt es nicht, hieß es Donnerstag in EU-Ratskreisen in Brüssel.
Die Trinkwasserrichtlinie regelt auch den Zugang zu Wasser. Konkret heißt es, dass besonders verletzliche und ausgegrenzte Gruppen, die identifiziert werden, Möglichkeiten des Zugangs zu Trinkwasser haben müssten. Ausgegangen ist die Debatte von der ersten EU-Bürgerinitiative „Right to water“. Eine Einigung unter den 28 EU-Staaten zur Trinkwasserrichtlinien-Überarbeitung dürfte eher schwierig werden, hieß es. (APA, TT.com)