EU-Wahl - Deutschland: Harte Belastungsprobe für GroKo

Berlin (APA) - Für die Große Koalition in Berlin wird die Europawahl zur Belastungsprobe. Den Koalitionspartnern Union und SPD drohen herbe ...

Berlin (APA) - Für die Große Koalition in Berlin wird die Europawahl zur Belastungsprobe. Den Koalitionspartnern Union und SPD drohen herbe Verluste. Vor allem ein dramatischer Absturz der Sozialdemokraten könnte den Fortbestand der GroKo gefährden. Eine Regierungskrise in Deutschland würde die gesamte EU lähmen. Auf der Siegerseite stehen dürften am 26. Mai die Oppositionsparteien - allen voran Grüne und AfD.

Rund 64 Millionen Menschen sind in Deutschland zur Wahl aufgerufen, fast zehn Mal so viele wie in Österreich. Dennoch entsendet Deutschland nur rund fünf Mal so viele Abgeordnete ins EU-Parlament. 96 Mandate werden neu vergeben. Die Wahlbeteiligung ist in Deutschland traditionell höher als im EU-Schnitt, 2014 gingen 48,14 Prozent zur Wahl. Für erhöhte Aufmerksamkeit dürfte die Wahl in der Bundesrepublik auch diesmal sorgen, weil wieder zwei der EU-weiten Spitzenkandidaten aus Deutschland kommen. Mit dem CSU-Politiker Manfred Weber als Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP) hat das Land gute Chancen den künftigen EU-Kommissionspräsidenten zu stellen. Außerdem kandidiert Ska Keller erneut an der Spitze der Europäischen Grünen.

Für zunehmende Nervosität sorgt die EU-Wahl derzeit bei den Regierungsparteien. Der Union von Bundeskanzlerin Angela Merkel werden deutliche Verluste vorhergesagt. In Umfragen kommen die Schwesterparteien CDU und CSU derzeit auf knapp 30 Prozent, 2014 hatte die Union noch 35,3 Prozent erreicht.

Ein noch viel desaströserer Absturz droht aber dem angeschlagenen Koalitionspartner SPD. In Umfragen dümpeln die Sozialdemokraten hinter den Grünen auf dem dritten Platz bei rund 17 Prozent dahin. Anfang Februar lagen sie in einer INSA-Umfrage für die „Bild“-Zeitung gar nur mehr bei 15 Prozent, was fast eine Halbierung ihres Ergebnisses von 2014 bedeuten würde. Damals hatten noch 27 Prozent ihr Kreuz bei der SPD gemacht. Das wichtigste Ziel für die Europawahl lautet daher: bloß nicht auf Platz vier zu landen, hinter der rechtspopulistischen AfD.

Parteiintern werden deshalb bereits die Messer gewetzt, die Kritik an Parteichefin Andrea Nahles wird immer lauter. Jüngst machten sogar Gerüchte die Runde, die erfolglosen früheren Parteigranden Sigmar Gabriel und Martin Schulz würden ein Comeback planen. Ein Abtritt von Nahles würde aber wohl auch ein Ende der ungeliebten GroKo bedeuten.

Vor der Europawahl versuchen SPD und Union sich deshalb derzeit stärker voneinander abzugrenzen. Die Sozialdemokraten rücken inhaltlich nach links und fordern eine Abkehr von Hartz IV. In die Wahl gehen die Sozialdemokraten mit der populären Justizministerin Katarina Barley.

Grund zur Freude dürften laut Prognosen am Wahltag auf jeden Fall die Grünen haben, die in Deutschland ganz anders als ihre österreichischen Kollegen seit längerem auf der Erfolgswelle surfen. Bei der EU-Wahl 2014 hatten sie knapp elf Prozent erreicht, nun werden ihr bis zu 20 Prozent zugetraut. Im EU-Wahlkampf bemühen sie sich daher, den Erfolg der Partei und eine künftige Regierungsbeteiligung nicht durch zu radikale Festlegungen zu gefährden.

Immer noch auf Erfolgskurs segelt auch die AfD. Ihr Ergebnis von 2014 (7,1 Prozent) dürfte die Partei, die mit ihrem Parteichef und ihrem derzeit einzigen EU-Abgeordneten Jörg Meuthen als Spitzenkandidaten ins Rennen geht, mehr als verdoppeln, in Umfragen liegen die Rechtspopulisten zwischen zwölf und 16 Prozent. Die Partei, die bisher im EU-Parlament in der Populisten-Fraktion Europa der Freiheit und der direkten Demokratie (EFDD) saß, gilt als potenzieller Bündnispartner für die FPÖ in einer großen rechten EU-kritischen Fraktion.

Auch die FDP kann sich mit Spitzenkandidatin Nicola Beer voraussichtlich am 26. Mai zu den Siegern zählen, die Liberalen kamen 2014 nur auf 3,4 Prozent, aktuell liegen sie in Umfragen bei bis zu neun Prozent. Zulegen dürfte auch die Linke, sie könnte bis zu zehn Prozent erreichen (2014: 7,4 Prozent). Die Linke geht mit relativ jungen neuen Gesichtern ins Rennen. Die zwei Spitzenkandidaten sind die nordrhein-westfälische Landespolitikerin Özlem Alev Demirel (34) und der EU-Abgeordnete Martin Schirdewan (43).

Ins EU-Parlament einziehen werden erneut auch viele deutsche Kleinparteien, denn die 2013 eingeführte Dreiprozenthürde wurde 2014 vom deutschen Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig aufgehoben. Der deutschen Regierung gelang es nicht vor der EU-Wahl eine neue Sperrklausel einzuführen. Chancen auf einen Einzug haben aus derzeitiger Sicht daher die Freien Wähler, die rechtsextreme NPD, die Piratenpartei, die Tierschutzpartei, die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) und die Satirepartei Die PARTEI. Bereits 2014 waren sieben kleine Parteien mit je einem Abgeordneten ins EU-Parlament eingezogen.

(-0298-19, 88 x 178 mm)