Tirol

Missbrauch an Schule in Neustift: Pädagoge zu Haftstrafe verurteilt

Der 59-jährige Angeklagte bekannte sich vor Gericht "nicht schuldig".
© TT/De Moor

Nach Vorwürfen von sexuellen Übergriffen in Tiroler Skikaderschmieden musste sich ein ehemaliger Lehrer und Trainer der Skihauptschule Neustift vor Gericht verantworten. Er wurde schuldig gesprochen und zu einer unbedingten Haftstrafe verurteilt.

Von Reinhard Fellner

Innsbruck, Neustift – Die #MeToo-Debatte fand in Österreich nach den Eröffnungen der Ex-Skirennläuferin Nicola Werdenigg vor allem im Umfeld des Skisports Niederschlag. Ins Zentrum rückten dabei auch Tiroler Nachwuchs-Kaderschmieden – die Skimittelschule Neustift und das Schigymnasium Stams. Während es in Stams um gewalttätige Rituale unter Schülern ging, wie das berüchtigte „Pastern“ oder dass neu eintretenden Schülern Zahnpasta in den After gedrückt wurde, stand in Neustift sexualisierte Gewalt im Mittelpunkt.

13 Betroffene meldeten sich darauf bei der Anlaufstelle für Opfer in Landeseinrichtungen. Eine Landes-Expertenkommission überreichte darauf der Staatsanwaltschaft einen Endbericht. Fazit: In Neustift kam es zu sexualisierter Gewalt und Grenzüberschreitungen, in Stams ebenso zu Vorkommnissen.

Aufgrund der Verjährungsregelungen traf einzig einen Beschuldigten eine Anklage der Innsbrucker Staatsanwaltschaft. Wegen Unzucht mit Unmündigen (heute sexueller Missbrauch von Unmündigen) gepaart mit Missbrauch des Autoritätsverhältnisses wurde gestern einem 59-Jährigen nach einer Bilderbuchkarriere im Schulwesen der Prozess gemacht. So sollte der einstige Trainer und Lehrer an der Skimittelschule Neustift und bis zuletzt hochrangiger Mitarbeiter des Landesschulrats von 1996 bis 1998 eine damals elf bis 13 Jahre alte Schülerin missbraucht haben, indem er sie bei Sportmassagen im Brust- und Genitalbereich intensiv berührt hätte.

Aufgrund der Liebe zum Skisport hatte sich die Elfjährige einst gegenüber den Eltern durchgesetzt, um nach Neustift kommen zu können. Im Oktober 1998 verließ die damals körperlich fortgeschritten entwickelte 13-Jährige dann völlig unvermittelt Neustift – und konnte den Eltern trotz Tränen nicht begründen, warum. Offenbart hatte sie sich aufgrund aufkeimender psychischer Probleme, die sich bis heute in Panikattacken und Depressionen äußern, erst einer Psychologin. Im Zuge der #MeToo-Debatte (Ich merkte, dass ich nicht alleine bin) entschloss sich die Frau nach Jahren zur Anzeige.

Psychiaterin Gabriele Wörgötter attestierte der Frau (Beim Prozess waren deren Aussagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit per Video vorgeführt worden) vor den Schöffen nicht nur ein schweres Krankheitsbild, sondern auch, dass deren Angaben erlebnisbasierend wirkten. Aussagen wie „Ich kann mich an seine großen Hände erinnern“ und das Krankheitsbild seien geradezu typisch für Missbrauchsopfer – auch, dass deren Erinnerung nach all den Jahren nicht mehr allzu detailliert ist.

Bei den Zeugen ging es hingegen ganz weit auseinander. Die einen sahen im Angeklagten unumstößlich einen Vorzeigetrainer, der von den Kindern zwar einiges verlangt, aber persönlich alles gegeben hätte. Ganze Schüler-Familien stellten sich symbolisch hinter den Pädagogen und zweifelten an den Vorwürfen. So auch die einstige Co-Trainerin, die allerdings auch von massiven Kommunikationsdefiziten (Trainer, Lehrer, Erzieher) im damaligen Schulwesen berichtet hatte. Andere berichteten wiederum von Gerüchten und anonymen Vorwürfen, die seinerzeit zur – ergebnislosen – Prüfung durch ein auswärtiges Kinderschutzzentrum geführt hatten. Bereits damals – relativ zeitnah zum angeklagten Tatzeitraum – ging es um den Umgang des Trainers mit Mädchen. Vor allem um Fragen, die tief in die Privatsphäre der Nachwuchssportlerinnen reichten.

Der Angeklagte selbst beteuerte von Anfang an, wie sehr ihn die Vorwürfe treffen würden – nach 37 Jahren im Dienst der Kinder und Eltern. An das Mädchen wollte der 59-Jährige keine Erinnerung mehr haben. Deren geschilderte Massagen bezeichnete er als örtlich und zeitlich unmöglich und skizzierte dazu detailliert den seinerzeit engen Tagesablauf.

Geglaubt hat der Schöffensenat dennoch der einstigen Schülerin. „Wir haben uns die Entscheidung beileibe nicht leicht gemacht, aber sie hat nach 20 Jahren die Vergangenheit eingeholt!“, begründete Senatsvorsitzender Norbert Hofer. Das klassische Krankheitsbild und die schlüssige und undramatische Schilderung der Übergriffe sei ein Grund gewesen. Dazu sei dem Senat aber auch aufgefallen, dass man eben seinerzeit wegen offenbar unangemessenen Verhaltens gegen den Lehrer tätig geworden war.

So ergingen bei einem Strafrahmen von bis zu zehn Jahren Haft, nicht rechtskräftig, 30 Monate Haft, 20 davon bedingt. Das Opfer bekam 5000 Euro Teilschmerzengeld zugesprochen.

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