Aston Martin DBS Superleggera: Heißer Lord im Trainingsanzug
Darf es ein bisschen mehr sein? Aston Martin zündet im DBS Superleggera die nächste Evolutionsstufe seines edlen Zwölfzylinders.
Von Stefan Pabeschitz
Wien –Aston Martin gehört zu den Marken, in deren Wagen man nie jemand im Trainingsanzug sehen wird – es sei denn, es ist ein Autodieb. Jetzt aber legt seine vierrädrige Lordschaft selbst das Sportgewand an: Der DBS, das Flaggschiff der noblen Flotte, schlägt in der Leistungshierarchie mit satten 725 PS noch einmal 94 Pferde über dem bisherigen Fahnenträger DB11 AMR an.
Zu der ehrfurchtsgebietenden Zahl trägt er auch noch das Adelsprädikat Superleggera als Namenszusatz – früher einmal bezeichnete der das Leichtbau-Patent der Mailänder Maß-Blechschneiderei Carozzeria Touring. Die gibt es nicht mehr, wohl aber ein Unternehmen, dass die Namensrechte hält und sie gegen Bezahlung vermietet. Wie anno dazumal auf einen zarten Gitterrohr-Rahmen aufgezogene Aluhäute sind inzwischen natürlich passé. Der DBS trägt den Schriftzug neben den Nüstern auf der Haube aber dennoch zu Recht: 72 Kilo Gewichtsverlust gegenüber dem DB11, mit dem er sich das Alu-Cassis teilt, klingen nach nicht allzu viel – im Karosseriebau sind das aber Welten. Errungen durch den generösen Gebrauch von Kohlefaser, Magnesium und Kunststoff, geformt zu einem expressiven Design, kühl, schnittig und ebenmäßig. Von der klassischen Eleganz der früheren Jahre unberührt, eher die Definition einer neuen, modernen Art davon.
Übernommen hat Aston die einzigartigen Luftspiele des DB11 – auch hier wird der Fahrtwind an der C-Säule in unter der Außenhaut verlaufende Kanäle geleitet, um ihn am Heck komprimiert wieder austreten zu lassen, wodurch ein Spoiler aus Luft entsteht. Der alleine reicht für das Leistungsspektrum des DBS allerdings nicht mehr aus, er bekommt daher Unterstützung von einer Karbonlippe. Zusammen erwirken sie bis zu 180 Kilo Anpressdruck an der Hinterachse – gerade genug, um die rabiate Kraft, die dort zuschlägt, halbwegs zu bändigen.
Denn waren die bisherigen Evolutionsstufen des Zwölfzylinders mit 608 und 631 Pferden noch durchaus elegant in ihrer Kraftentfaltung, ist es nun vorüber mit der noblen Zurückhaltung. Der V12-Biturbo ist durch die letzte Doping-Kur so hochagil, schon eher hyperaktiv, geworden, dass selbst der von Mercedes-AMG wegen solcher Talente zugekaufte Alternativ-V8 im DB11 dagegen plötzlich ein wenig zahnlos und zäh wirkt.
Mit Säusel-Sound ist natürlich auch nichts mehr. Der DBS erwacht schon mit einem akustischen Paukenschlag und legt mit der Drehzahl gefühlt noch exponentiell zu. Für das zusätzliche Crescendo im Modus S+ braucht es schon verständnisvolle Nachbarn. Dass bellende Hunde nicht beißen, ist sowieso ein unsicheres Argument, bei Astons Bestie stimmt es definitiv nicht: Sie vergreift sich mit einer Vehemenz am Asphalt, die nicht jede Straßenmeisterei freuen wird. In den 3,4 Sekunden auf den ersten Hunderter spielt sich im Cockpit einiges ab – das schnöde Filtern von Fahreinflüssen stand eindeutig nicht im Lastenheft des DBS. Die Wildsau will abhauen, prinzipiell schon nach vorne, aber ganz sicher ist sie sich da nicht. Unter Volllast wird die Hinterachse jedenfalls zum Wechselwähler, mal links, mal rechts, dann doch wieder die Mitte. Wer hier nicht beide Hände am Lenkrad hat, riskiert einen astreinen Abwurf. Der hitzige Renner tänzelt mit einer sensiblen Balance um ihre Längsachse, reagiert mit verblüffender Direktheit auf jedes Pedalkommando, führt Lenkbefehle schon fast abrupt aus. Als Draufgabe verfügt er über eine Bremspower, mit der die Lungenflügel zu kämpfen haben. Autofahren am obersten Ende der Technik- und Erlebnis-Skala, wer hätte das den noblen Briten zugetraut?
So demütig wie das Fahrerlebnis macht auch der Preis: 352.000 Euro stellen allerdings sicher, dass es keine inflationäre Anhäufung solcher Fahrmaschinen auf unseren Straßen geben wird.