Brexit - Szenarien des Ausstiegs

London (APA/dpa/AFP/Reuters) - Nach der neuerlichen Ablehnung des Brexit-Abkommens im britischen Parlament will sich die britische Regierung...

London (APA/dpa/AFP/Reuters) - Nach der neuerlichen Ablehnung des Brexit-Abkommens im britischen Parlament will sich die britische Regierung heute, Montag, zur weiteren Vorgehensweise äußern. Derzeit ist völlig unklar, wie es für Großbritannien weitergehen soll.

Premierministerin Theresa May arbeitet an einer möglichen Verschiebung des bisher auf den 29. März festgelegten Austritts Großbritanniens aus der EU. Sie hatte angekündigt, ihren Deal bis spätestens Mittwoch erneut den Abgeordneten vorzulegen. Allerdings gibt es in britischen Regierungskreisen Zweifel, ob eine neuerliche Abstimmung ohne ausreichende Unterstützung für den Deal überhaupt Sinn macht. In Brüssel laufen unterdessen die Vorbereitungen für den EU-Gipfel Ende der Woche, auf dem über den weiteren Weg Großbritanniens aus der EU entschieden wird.

Folgende Szenarien sind möglich:

UNTERHAUS STIMMT ERNEUT ÜBER BREXIT-VERTRAG AB

Die britische Premierminister Theresa May will das Parlament bis zum 20. März erneut über den mit der EU ausgehandelten Austrittsvertrag abstimmen lassen. Vor einer neuerlichen Abstimmung bräuchte May aber wohl neue Zugeständnisse der EU. Das Abkommen wurde bereits zweimal im Parlament abgelehnt. Die EU lehnt Nachverhandlungen allerdings ab.

KURZER AUFSCHUB DES BREXIT BIS ZUM 30. JUNI

Die Verlängerung der zweijährigen Austrittsfrist über Ende März hinaus ist nach Artikel 50 des EU-Vertrags durchaus möglich. Allerdings müssten alle anderen 27 EU-Staaten einem britischen Antrag zustimmen und die wollen ein solches Anliegen nach eigenem Bekunden nicht einfach durchwinken, wenn London keinen konkreten Plan vorlegt. Entschieden werden könnte über einen Antrag auf Verlängerung beim EU-Gipfel in Brüssel.

Am einfachsten wäre eine kurze Verlängerung um wenige Wochen bis maximal Ende Juni. Denn andernfalls müsste sich Großbritannien an der Europawahl beteiligen, die vom 23. bis 26. Mai stattfindet. Das EU-Parlament tritt am 2. Juli erstmals zusammen.

Allerdings ist die Skepsis in der EU groß, was ein kurzer Aufschub an der verfahrenen Situation ändern würde. In wenigen Wochen könnte kaum ein neues Abkommen ausgehandelt werden. Am Ende der verlängerten Austrittsfrist würde doch nur wieder die Drohung eines Chaos-Brexits stehen, warnte May. Die EU fordert in diesem Fall einen konkreten Plan Großbritanniens.

LÄNGERER AUFSCHUB DES BREXIT

Da die Skepsis über die Sinnhaftigkeit einer kurzer Verschiebung groß ist, wird nun über eine Verschiebung des EU-Austritts Großbritanniens um mehrere Monate diskutiert. In diesem Zeitraum könnten in Großbritannien die Karten völlig neugemischt werden: Möglich wären Neuwahlen oder die Abhaltung eines zweiten Referendums.

In diesem Fall müsste sich Großbritanniens allerdings an der EU-Wahl beteiligen. Dies würde eine Reihe von neuen Fragen aufwerfen, weswegen sich bisher zahlreiche EU-Politiker gegen diese Variante ausgesprochen haben. Auch in Großbritannien ist eine Beteiligung der Briten an der Wahl Ende Mai kaum vorstellbar - vor allem, wenn das Land am Austritt festhalten sollte.

Eine Teilnahme Großbritanniens würde auch die Zahl der Mandate für anderen EU-Länder verändern, weil ein Teil der durch den Brexit wegfallenden Mandate anderen EU-Staaten zugeschlagen wurde, das Europaparlament aber nicht mehr als 751 Sitze haben darf. Österreich würde dann weiterhin 18 von 751 Mandaten haben statt 19 von 705 wie nach der geltenden Planung für die Europawahl 2019.

BREXIT OHNE VERTRAG

Sowohl die Mehrheit der Abgeordneten im britischen Parlament als auch die EU sind gegen dieses Szenario wegen des befürchteten Chaos für Wirtschaft und Bürger. Beziehungen aus 45 Jahren EU-Mitgliedschaft würden schlagartig gekappt. Sollte es so weit kommen, könnten beide Seiten lediglich Notvereinbarungen schließen. Aber wenn es keine Einigung auf eine andere Variante gibt, endet die britische EU-Mitgliedschaft automatisch am 29. März um 24.00 Uhr Brüsseler Zeit. Auch im britischen EU-Austrittsgesetz ist dieses Datum als Brexit-Termin festgeschrieben und müsste gestrichen werden. Die Zeit dafür rinnt.

RÜCKNAHME DER AUSTRITTSERKLÄRUNG

Für London besteht bis zum Austrittsdatum auch die Möglichkeit, den Brexit-Antrag ohne Zustimmung der EU einseitig zurückzunehmen. Dies bestätigte der Europäische Gerichtshof im Dezember. Das gilt jedoch als unwahrscheinlich. Nötig wäre wohl ein zweites Referendum, umso eine Kehrtwende zu legitimieren. May ist strikt dagegen und warnt vor einem Vertrauensverlust in die Demokratie, nachdem die Briten 2016 mit knapper Mehrheit für den EU-Austritt gestimmt hatten.

Die Labour-Opposition ist für eine neue Volksabstimmung, doch hat die Idee keine Mehrheit im Unterhaus. Einige in der EU sehen das trotzdem als Option.

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